PORTRÄT. Seit nunmehr einem Jahr ist Wolfgang Brandstetter Österreichs Justizminister.Der Hochschulprofessor und Strafverteidiger will Reformen vorantreiben und hat politisches Fingerspitzengefühl bewiesen. Von Karin Pollack
Es gibt ungewöhnliche Karrieren. Es war vor gut einem Jahr, als Wolfgang Brandstetter, damals Vorstand des Instituts für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien, einen Anruf von seinem Freund, dem damaligen Vizekanzler Michael Spindelegger, bekam. Das allein überraschte ihn nicht, die beiden sind seit Studienzeiten befreundet, arbeiteten beide als Assistenten im Institut für Strafrecht an der Wiener juridischen Fakultät. Die Frage, ob er sich vorstellen könne, Justizminister zu werden, hat ihn dann schon aus allen Wolken fallen lassen. „Für mein Verständnis kann man diese Funktion aber nur überparteilich ausüben und nur dann, wenn ich das Vertrauen beider Regierungsparteien habe“, erinnert er sich in einem Interview an diesen entscheidenden Moment. Keines der Regierungsmitglieder zweifelte an den Fähigkeiten des Universitätsprofessors, der sich in vielen Wirtschafts- und Korruptions- Fällen als Strafverteidiger erfolgreich einen Namen gemacht hatte. Brandstetter hatte auch Werner Faymann in der Inseratenaffäre vertreten. Sein Antritt als neuer Justizminister des Landes war deshalb gesichert. Legendär war sein Amtsantritt. Brandstetter ließ im Foyer des Justizministeriums einen Wurlitzer aufstellen. Als Liebhaber von Sixties-Musik legte er seine Lieblingsband „The Sweet“ auf – als Symbol, dass er „Schwung in die Bude“ bringen will. Was möglicherweise nach Inszenierung aussieht, ist Brandstetter jedoch fremd. Man sieht es ihm auf den ersten Blick auch nicht an: Nicht nur seine umfassende Kenntnis der Materie, sondern auch seine Selbstironie macht ihn zu einem interessanten Gesprächspartner.
Die Geschichte seines Vaters
Wolfgang Brandstetter wurde 1956 in Stadt Haag in Niederösterreich als Sohn eines Religionslehrers geboren. Er war eines von sechs Kindern. Die Geschichte seines Vaters, dem die Nazis das Studium der Rechtswissenschaften verweigerten, der sich während des Dritten Reichs im Widerstand engagiert hat und seine Kinder Mut und Anstand lehrte, hat ihn geprägt. „Mein Vater hat mir viel von der Zwischenkriegszeit und vor allem der Unversöhnlichkeit der zwei politischen Lager erzählt, vielleicht ist das ein Grund, warum ich dieses Amt gerne annehme“, erzählte er nach demm Amtsantritt. Kindheit und Jugend verbrachte er im Waldviertel, nach der Matura studierte er in Wien, zuerst Englisch und Russisch, parallel dann auch Jus, und entschied sich vorerst für eine akademische Laufbahn. Als Strafrechtler war er an den Unis in Graz, Krakau, als Professor in Linz und Wien tätig. 2007 schließlich kam er als Ordinarius an das neu gegründete Institut für Wirtschaftsstrafrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seit 1993 arbeitete Brandstetter als Strafverteidiger auch außerhalb des Elfenbeinturms der reinen Wissenschaft und Lehre. Kaum ein großer Wirtschafts- oder Korruptionsprozess, an dem er nicht beteiligt war, so etwa bei Prozessen um die Bawag, Libro, Kaprun oder Telekom. In der Pleite um die Kärntner Hypo war er in mehreren Funktionen im Einsatz: Im Bankenuntersuchungsausschuss im Parlament trat er als Vertrauensperson von Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer auf, im Strafverfahren in Kärnten verteidigte er Tilo Berlin, Kulterers Nachfolger. All diese Funktionen hat er mit Amtsantritt ruhend gestellt und sein erstes Jahr gut über die Bühne gebracht. Er treibt die Strafrechtsreform voran. „Ich glaube, dass wir im Wirtschaftsstrafrecht einerseits mehr Klarheit und Berechenbarkeit, andererseits aber auch Verschärfungen brauchen. Etwa beim Delikt der Bilanzfälschung. Die Bestimmung ist einerseits zu weit formuliert – für die Fälle echter Bilanzfälschung ist die Strafdrohung allerdings zu niedrig“, sagt Brandstetter.
Kenner des Justizsystems
Brandstetters Arbeitsbelastung ist in den vergangenen zwölf Monaten jedenfalls stark gewachsen. Der Vater dreier erwachsener Kinder kommt längst nicht mehr mit der Bahn aus Eggenburg im Waldviertel nach Wien („Der Verfassungsschutz lässt mich nicht“), auch seinen Verpflichtungen als Museumsdirektor der Nostalgiewelt in Eggenburg kommt er derzeit kaum noch nach. Sogar sein „riesiges Interesse für Geschichte und Zeitgeschichte“ und für Oldtimer hat für die Zeit seines Ministerseins wohl Pause. Der Regierung tut er gut. Als Kenner des Justizsystems will er Reformen vorantreiben. Transparenz und Ehrlichkeit sind ihm wichtig, mit dieser Einstellung hat er die Krise rund um den Skandal in der Justizanstalt Stein bravourös gemeistert. Seine Freiheit bleibt ihm auch als Justizminister wichtig. „Ich kann jederzeit an die WU zurückkehren. Ich bin von niemand politisch abhängig.“
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