Brennpunkt Finanz. Eine Unsicherheit in der Beurteilung als Einkunftsquelle stellt keine Ungewissheit im Sinne des § 200 BAO dar. Von Herbert Houf
In einer Steuererklärung werden negative Einkünfte aus einer Tätigkeit ausgewiesen, die eventuell als Liebhaberei zu beurteilen sein könnte. Ohne dass es zu einer entsprechenden Auseinandersetzung des Finanzamts mit dieser Frage kommt, wird der Einkommensteuerbescheid gemäß § 200 BAO vorläufig erlassen. Die Begründung des Bescheides – sofern überhaupt vorhanden – weist auf eine Unsicherheit in der Beurteilung der Einkünfte hin.
Gesetzlicher Anwendungsfall des § 200 BAO
Ein Bescheid kann dann vorläufig erlassen werden (Ermessen), wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht noch ungewiss, aber wahrscheinlich, oder der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist (Tatbestandsvoraussetzung). Es muss sich also um eine Ungewissheit im Tatsachenbereich (Sachverhalt) handeln, die eine endgültige Beurteilung noch nicht zulässt, obwohl alle notwendigen Ermittlungen durchgeführt worden sind. Ein Bescheid darf nicht deswegen vorläufig ergehen, weil Ermittlungen aufgeschoben werden sollen oder die Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung noch „unsicher“ ist.
Ein vorläufiger Bescheid wegen Liebhabereiverdacht wäre dann zulässig, wenn erst auf Grund eines in der Zukunft eintretenden Ereignisses die Eigenschaft als Einkunftsquelle für ein abgelaufenes Jahr feststehen würde.
Bei einem vorläufigen Bescheid muss somit ein Sachverhalt vorliegen, in dem der Abgabenanspruch von einem erst in der Zukunft eintretenden Ereignis von rückwirkender Bedeutung abhängig ist. Nicht zuletzt deshalb wird § 200 BAO auch mit § 295a BAO in Verbindung gebracht, der die Abänderung von endgültigen Bescheiden insoweit zulässt, als sich aus rückwirkend zu berücksichtigenden Ereignissen eine andere Steuerfestsetzung ergibt. Während § 295a BAO aber nur einen auf den eigentlichen rückwirkenden Sachverhalt eingeschränkten Anwendungsbereich hat (Teilrechtskraft), sind vorläufige Bescheide jederzeit und in jeder beliebigen Hinsicht abänderbar, was die Rechtssicherheit für den Betroffenen natürlich massiv beeinträchtigt.
Grundsätzlich keine rückwirkenden Ereignisse bei Liebhaberei
Ein vorläufiger Bescheid wegen Liebhabereiverdacht wäre also dann zulässig, wenn erst auf Grund eines in der Zukunft eintretenden Ereignisses die Eigenschaft als Einkunftsquelle für ein abgelaufenes Jahr feststehen würde. Im Hinblick auf das im Abgabenrecht grundsätzlich geltende Rückwirkungsverbot könnte das nur dann der Fall sein, wenn sich diese Rückwirkung aus dem Gesetz (ggf. einer Verordnung) ausdrücklich oder implizit ergibt. Das ist bei der Liebhaberei-Verordnung nicht der Fall. Vielmehr heißt es dort kurz zusammengefasst, dass es vor allem auf die Absicht des Abgabepflichtigen ankommt, einen Gesamtgewinn zu erreichen, und darauf, ob die gewählte Vorgehensweise einen solchen nach vernünftiger Einschätzung erwarten lässt. Zwar können künftige Ereignisse die ursprüngliche Absicht des Abgabepflichtigen möglicherweise erhellen (z.B. Verkauf einer Liegenschaft vor Erreichen eines Gesamtüberschusses), sie machen aber auf Grund ihrer Qualität eine anderslautende rechtliche Beurteilung in der Vergangenheit nicht zwingend erforderlich. Das gilt insbesondere auch für die Frage, ob prognostizierte Gewinne in der Zukunft tatsächlich eingetreten sind bzw der angestrebte Gesamtgewinn tatsächlich innerhalb des geplanten Zeitraums erreicht wird. Schließlich wird es auch rein pragmatisch gesehen schwierig sein, dieses in der Zukunft liegende „Ereignis“, das die vorher noch bestehende Ungewissheit in der Beurteilung als Einkunftsquelle beseitigen könnte, in der Bescheidbegründung so hinreichend genau zu bezeichnen, wie dies nach § 93 Abs. 3 lit b) BAO gefordert ist.
Ein vorläufiger Bescheid wird in diesen Fällen nur dann zulässig sein, wenn die Behörde ein bestimmtes in der Zukunft liegendes Ereignis benennen kann ...
Zusammenfassung
Auch bei Liebhabereiverdacht muss die Abgabenbehörde alle nötigen Ermittlungen durchführen, um die Absicht des Abgabepflichtigen und die Geeignetheit seiner Bemühungen, einen Gesamtüberschuss zu erzielen, beurteilen zu können. Ein vorläufiger Bescheid wird in diesen Fällen nur dann zulässig sein, wenn die Behörde ein bestimmtes in der Zukunft liegendes Ereignis benennen kann, dessen Eintritt für die Liebhabereibeurteilung im Sinne der Liebhaberei-VO maßgeblich ist. Dies wird in der Regel eher nicht der Fall sein.
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