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Ausgabe 01/2016

„Wie eine warme Dusche“

REDE. Vors Publikum treten, die Stimme erheben und seine Zuhörer für die Dauer eines Vortrags in den Bann ziehen: Darum geht es bei Festreden. Zehn Tipps für ein gutes Gelingen. Von Karin Pollack

Es gibt Menschen, die gerne im Mittelpunkt stehen, und andere, die mögen das weniger. Sicher ist: Eine Rede zu halten ist für Nervöse wie Gelassene geleichermaßen eine Herausforderung. Die wenigsten haben Übung. Die gute Nachricht: Der Erfolg hängt weniger von der Coolness eines Redners als viel mehr von der guten Vorbereitung ab. Einfühlungsvermögen, ein Gespür für die Situation und pointierte Sachkenntnis sind die Grundvoraussetzungen, damit Worte im Gedächtnis der Zuhörer bleiben. Egal, ob eine Veranstaltung eröffnet, ein Kollege geehrt oder ein Mitarbeiterjubiläum gefeiert werden soll: Eine Festrede verleiht einer gesellschaftlichen Veranstaltung einen besonderen Rahmen. Wer die hohe Kunst des Sprechens ernst nimmt, folgt bewährten Regeln. Zehn wichtige Punkte zur Vorbereitung: 

Wer viel im Kopf hat und seine Gedanken erst strukturieren will, kann sich mit Methoden des Mindmapping helfen.  

  1. Anlass und Publikum kennen und die Zuhörer dort abholen, wo sie gerade sind. Das klingt erst einmal banal, ist es aber nicht. Denn ein Festredner sollte weniger von sich selbst ausgehen als viel mehr sein Publikum ins Boot holen. Sympathisch sein ist dabei oberstes Gebot. Wichtige Fragen sind: Wer ist mein Publikum? Warum sind es gekommen? Welche Beziehung haben die Zuhörer untereinander? Gehören sie zu einer Organisation? Was würde ich selbst hören wollen? Ziel dieser gedanklichen Übung im Vorfeld ist, eine gemeinsame Basis, einen Grundton für seine Rede zu schaffen. 
  2. Eine Rede macht jeden Anlass zu etwas Besonderem, verleiht einem Ereignis einen festlichen, feierlichen Charakter. Dessen sollte man sich bei der Konzeption bewusst sein. Entsprechend sind auch die Worte zu wählen. Allzu Umgangssprachliches gilt es zu vermeiden. Und inhaltlich? „Eine Rede soll wie eine warme Dusche nach einem Spaziergang in Eiseskälte sein“, besagt ein altes russisches Sprichwort. Mit anderen Worten: Es geht darum, einen Anlass oder einen Jubilar mit Worten entsprechend zu hofieren. Wer diesen Gedanken im Hinterkopf hat, trifft meist auch den richtigen Ton. 
  3. Für jede Rede muss Stoff gesammelt werden, aus dem Stegreif gelingt es nur wenigen, die richtigen Worte zu finden. Vorbereitung ist Respektsache. Was will ich sagen? Wer viel im Kopf hat und seine Gedanken strukturieren will, kann sich mit den Methoden des Mindmapping behelfen. In der Mitte eines Blatt Papiers steht dann zum Beispiel „Berufsjubiläum von XY“ und rundherum alles, was einem zu XY einfällt. Auf diese Weise ergeben sich Stränge, die zu thematischen Blöcken zusammengefasst werden können. Damit wäre das Grundgerüst für eine Rede fertig. 
  4. Einleitung – Höhepunkt – Ausklang: Das ist der klassische Aufbau einer Rede. In Zeiten sinkender Aufmerksamkeitsspannen ist es empfehlenswert, sich auf drei Kernbotschaften zu beschränken. Entscheidend: ein guter Einstieg. Empfehlenswert ist ein unerwarteter Auftakt, der die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich lenkt, eine Anekdote zum Beispiel, rhetorische Fragen oder auch das direkte Ansprechen des Publikums (warum sind wir zusammengekommen?). Insofern ist ein Redner eine Art Reiseführer, der seine Gruppe leitet. Eine gute Rede gibt stets Antworten auf noch nicht gestellte Fragen. 
  5. Kurzweiligkeit ist sicher ein Erfolgsfaktor. Eine Studie der Seattle Pacific University zeigt, dass die Aufmerksamkeit eines Zuhörers nach zehn Minuten nachlässt. Wer trotzdem länger sprechen muss, sollte alle zehn Minuten Abwechslung (Anekdote, Diashow, rhetorische Fragen) einbauen. Wichtig: Vollständige Lebensläufe sind langatmig, es kommt auf die Auswahl an, auf die Meilensteine. „Eine Rede ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann“, hat der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry einmal gesagt. 
  6. Ob vollständiges Manuskript oder Spickzettel hängt von der Selbstsicherheit des Redners ab. Ein in aller Ruhe am Computer zu Hause geschriebener Text gibt Sicherheit. Allerdings: Geschriebene und gesprochene Sprache unterscheiden sich in Duktus und Stil, etwa wenn es um die Verwendung von Zeiten oder den Satzaufbau geht. Dessen sollte sich alle, die ihre Rede ablesen wollen, bewusst sein. Die Grundregel: kurze Sätze. Wer nicht frei spricht, sollte seine Geschwindigkeit drosseln und Pausen machen. Ein Stichwortzettel garantiert, dass Redner den roten Faden behalten. Wichtig sind leserliche Unterlagen: Lichtverhältnisse sind oft schlecht. 
  7. Guter Stil ist wichtig, Patzer müssen überspielt werden. Metaphern und Bilder funktionieren in Reden hervorragend, abstrakte Worte weniger, Fachsprache nur, wenn sicher ist, dass das Publikum sie versteht. Nicht jeder Satz muss neue Information enthalten und Wiederholungen sind erprobte Stilmittel. Die größte Sünde in einer Jubiläumsrede kann auch zu viel Ehrlichkeit sein. Misserfolge haben in einer Festrede nichts zu suchen, sie machen nur schlechte Stimmung. Wer als Redner einen Aussetzer hat: einfach weitermachen und so tun, als ob nichts gewesen wäre. Fehler machen sympathisch! 
  8. Eine Rede hat immer Hand und Fuß – im wörtlichen Sinne. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die Wirkung einer Rede zu rund 50 Prozent durch Körpersprache, zu 40 Prozent durch die Stimme und nur zu zehn Prozent durch das gesprochene Wort (verbal) erzielt wird. Körpersprachliche Nogos: Die Hände vor der Brust oder hinter dem Rücken verschränken, schon gar nicht in die Hosentasche stecken. Zudem sollte man versuchen, seine Stimme am Satzende zu senken. Das sind Zuhörer aus Radio und Fernsehen so gewohnt. Empfehlenswert für den optischen Eindruck eines Redners: Blickkontakt mit dem Publikum, die Augen regelmäßig durch den Raum schweifen lassen. 
  9. Authentisch sein. Ein ernster Mensch kann kein ausgelassener Redner sein, nicht jeder kann einen Witz erzählen, obwohl das gut funktioniert. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, seiner Rede Tiefe zu verleihen, mit Zitaten aus Literatur oder Geschichte. Beliebt ist alles, was unter das Kapitel „Lebensweisheiten“ fällt, etwa können Aussprüche von Persönlichkeiten eine gute Stütze für den Vortragenden sein. Für alle, die sich als Redner überfordert fühlen: Im Internet gibt es Plattformen wie www.redenwelt.de, auf denen man sich erstens inspirieren lassen und zweitens Musterreden käuflich erwerben kann. 
  10. Auch Profis üben vor dem Spiegel, stoppen die Zeit, um ein Gefühl für Länge und Dramaturgie zu bekommen. Mit jedem Durchgang steigt das Selbstvertrauen. Nebeneffekt: Das Lampenfieber sinkt. Oft wird vergessen, sich mit den Rahmenbedingungen für die Festrede vertraut zu machen. Mikrofon – ja oder nein? Wo sitzt der Jubilar? Steht ein Glas Wasser bereit, sollte die Stimme versagen? Worauf sich Redner nach geleisteter Anstrengung freuen können: Wer eine gute Rede gehalten hat, bekommt viele Komplimente und hat seinem Publikum optimalerweise auch Stoff für den Smalltalk danach geliefert.

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