ABGABEN. Der VfGH hat den § 304 BAO mit Ablauf des 31.12.2018 als verfassungswidrig aufgehoben. Von Herbert Houf
Seit 1.1.2014 ist gemäß § 304 BAO eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmeantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist. Damit wurde gegenüber der Vorgängerregelung, wonach der Antrag a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist von sieben Jahren zulässig wäre, oder b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides gestellt werden musste, die Antragsfrist in vielen Fällen erheblich eingeschränkt. Außerdem wurde eine Formulierung gewählt, die in nahezu identer Fassung bereits einmal, nämlich 1992, vom VfGH aufgehoben wurde.
Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot
Der Kern der Kritik des VfGH in seinem Erkenntnis G131/2017 u.a. liegt vor allem darin, dass die Anknüpfung der Antragsfrist an die Verjährungsfrist nicht ausreichend sachlich begründet ist. Unter anderem auch deshalb, weil die Verjährungsfrist zwar durch Amtshandlungen der Abgabenbehörde verlängert werden kann (§ 209 Abs. 1 BAO), nicht aber durch Maßnahmen seitens des Abgabepflichtigen. Während also die Abgabenbehörde durch Ermittlungen (z.B. im Hinblick auf einen Wiederaufnahmegrund) den Eintritt der Verjährung hinausschieben kann, ist das bei Nachforschungen des Abgabepflichtigen nicht der Fall. Auch kann es sein, dass insbesondere beim Vorfragentatbestand des § 303 Abs 1 lit c) BAO ein Wiederaufnahmegrund erst sehr spät eintritt und damit bekannt wird. Insofern wäre allenfalls auch eine Differenzierung der Antragsfrist in Abhängigkeit von den verschiedenen Wiederaufnahmetatbeständen allenfalls überlegenswert. Die Bundesregierung und das BMF haben die Bedenken des VfGH im Zuge des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht geteilt und in ihrer Stellungnahme vor allem immer wieder darauf hingewiesen, dass ja durch die Novelle per 1.1.2014 (FVwGG 2012) eine Harmonisierung der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme von Amts wegen und auf Antrag erfolgt ist. Wie bei den anderen Verfahrenstiteln zur Abänderung von Bescheiden auch, seien also die Voraussetzungen nun auch bei der Wiederaufnahme des Verfahrens für beide Seiten gleich und herrsche „Waffengleichheit“. In diesem Zusammenhang wurde eine interessante Aussage zur Frage der Wiederaufnahme auf Antrag getroffen. Hier wird seitens der Abgabenbehörden in letzter Zeit immer wieder vorgebracht, dass ein Neuerungstatbestand (§ 303 Abs.1 lit b) BAO) für den Abgabepflichtigen neu hervorgekommen sein müsste. Dies, obwohl genau diese Voraussetzung ja durch die Novelle per 1.1.2014 gefallen ist. Dazu wird die Bundesregierung im vorliegenden Erkenntnis des VfGH wie folgt zitiert: „Erkennt der Abgabepflichtige nämlich, dass der Abgabenbehörde nicht alle Tatsachen oder Beweismittel zur richtigen Beurteilung im abgeschlossenen Verfahren bekannt waren oder bekannt gegeben wurden, so steht diesem neben der Möglichkeit der Ergreifung eines ordentlichen Rechtsmittels gegen den Bescheid auch die Möglichkeit innerhalb der (verlängerten) Verjährungsfrist einen Antrag auf Wiederaufnahme einzubringen offen oder sonstige Rechtsbehelfsmaßnahmen jeglicher Art zu ergreifen.“
Der Kern der Kritik des VfGH in seinem Erkenntnis G131/2017 u.a. liegt vor allem darin, dass die Anknüpfung an die Verjährungsfrist nicht ausreichend sachlich begründet ist.
Zusammenfassung
Der Gesetzgeber wird also bis Ende des Jahres eine neue Lösung für den aufgehobenen § 304 BAO zu finden haben, der auf Grund des Verweises auch für die Fälle des § 295 Abs. 4 BAO von Bedeutung ist. Dabei geht es um die Abänderung von abgeleiteten Bescheiden auf Antrag, wenn sich der Grundlagenbescheid im Zuge eines Beschwerdeverfahrens als nichtig herausgestellt hat. Außerdem sollte klargestellt sein, dass auch im Falle der Wiederaufnahme auf Antrag die Frage der Neuerung aus Sicht der Abgabenbehörde zu beurteilen ist. Der Unterschied zur amtswegigen Wiederaufnahme liegt lediglich darin, dass naturgemäß der Antragsteller die Pflicht hat, den Wiederaufnahmegrund so hinreichend genau zu bezeichnen, wie dies üblicherweise der Abgabenbehörde obliegt.
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