ANALYSE. Ein Jahr Corona: Wenn einem manchmal der Kragen platzt. Von Verena Trenkwalder
Selbstverständlich versuche ich – schon dem Titel unserer Zeitung und der Kolumne entsprechend – aktuelle Fachthemen aufzugreifen. Doch diesmal bringe ich es einfach nicht übers Herz, neutral über die Errungenschaften der jüngsten Covid-Hilfen zu berichten, weil auch mir langsam der Kragen platzt. Ich habe mich im letzten Jahr – entgegen meinem Naturell – wirklich in Geduld geübt. Zuerst habe ich entschuldigend die Ausnahmesituation ins Treffen geführt, da kann schon das eine oder andere passieren, dann haben wir im Fachsenat mit viel Mühe die eine oder andere Korrektur oder Klarstellung erreicht, manchmal wurden wir sogar um Rat gefragt und unsere Expertise wurde geschätzt. Doch langsam sind wir an einem Punkt angelangt, wo es an der Zeit wäre, wenn sich die Lage wieder normalisiert. Damit meine ich nicht die Pandemie, die uns wohl noch einige Zeit begleiten wird, zumindest bis Europa es schafft, ausreichend Impfstoff einzukaufen. Ich meine vielmehr die Rahmenbedingungen. Langsam wäre es an der Zeit, rational, faktenbasiert und in angemessener Geschwindigkeit Entscheidungen zu treffen und auch für entsprechende Rahmenbedingungen und Unterstützungen zu sorgen.
All diese Varianten!
Wir haben Härtefallfonds, Fixkostenzuschuss in den verschiedensten Ausprägungen, Umsatzersatz, Verlustersatz, Ausfallsbonus, Kurzarbeit, Stundungen, Garantien und den NPO Unterstützungsfonds. Aus allen diesen Varianten gilt es, die richtigen auszuwählen und rechtzeitig für die Kunden zu beantragen. Mag schon sein, dass unterschiedliche Ausgangslagen unterschiedliche Lösungen brauchen, aber von einer schnellen und unbürokratischen Hilfe ist man trotzdem weit entfernt. Die Entfernung wird umso größer, je ähnlicher und im Detail doch unterschiedlicher die einzelnen Instrumente sind und je unklarer die Vorgaben und Fristen sind und je öfter diese im Nachhinein, oft „klamm-heimlich“, geändert werden. Denn der Berater muss rechnen, vergleichen, evaluieren und mehrfach korrigieren, was insbesondere bei kleineren Mandanten zu einer nicht mehr stimmigen Kosten-Nutzen-Relation führt. Der Lockdown-Umsatzersatz II für vom Lockdown indirekt erheblich betroffene Unternehmen ist von der Komplexität und Ausgestaltung her schon fast prohibitiv.
Das hat den Vogel abgeschossen
Aus meiner Sicht den Vogel abgeschossen hat aber der Kurzarbeitsbonus. In den Medien wurde die Erwartung geschürt, dass die Dienstnehmer EUR 175,– netto und die Dienstgeber EUR 825,– erhalten – in Wahrheit erhalten sie überhaupt nur etwas, wenn auch noch im März 2021 ihre Arbeitszeit durch Kurzarbeit auf weniger als 50% der Normalarbeitszeit reduziert war. Und anstatt einer steuerfreien Auszahlung wird die Bemessungsgrundlage für die Kurzarbeitsbeihilfe erhöht. Obwohl der Kurzarbeitsbonus die Mehrkosten und das entfallende Trinkgeld aufgrund der Schließung der Unternehmen seit November abdecken soll, werden die bestraft, die im März (im Rahmen des Erlaubten und teilweise nicht einmal kostendeckend) wieder geöffnet und ihre Mitarbeiter wieder beschäftigt haben. Dies zeigt wieder einmal mehr die Grenzen unserer neuen Rechtsgebung (Pressekonferenz/FAQ/allenfalls Richtlinie) auf. Ich hoffe daher, dass das nicht die neue Normalität wird und wir wieder mit (durchdachten und ordentlich begutachteten) Gesetzen und fachmännisch erarbeiteten Erlässen arbeiten dürfen. Auf der anderen Seite sehe ich auch die positiven Seiten und möchte Sie alle motivieren, das auch zu tun: Wir haben Arbeit, wir dürfen ins Büro gehen, wir verdienen Geld (auch wenn wir nicht jede Stunde abrechnen können), wir haben Kundenkontakt und vor allem: Unsere Arbeit wird mehr denn je benötigt, unsere Arbeit wird geschätzt. Wir sind medial präsent und im Ansehen gestiegen. Der Staat verlangt uns in der Krise viele Leistungen und Bestätigungen ab, wir sind für ihn ein Garant, dass die Hilfen zu Recht in Anspruch genommen werden, dass deren Ermittlung auf einem fundierten Zahlenwerk basiert und dass für die zukünftigen Überprüfungen eine ausreichende Dokumentation zur Verfügung steht. Nehmen wir diese Herausforderungen gemeinsam an und konzentrieren wir uns mit voller Kraft darauf, unsere Kunden durch die Krise und vor allem danach aus der Krise heraus zu begleiten! Ich wünsche uns allen bei dieser großen Aufgabe viel Erfolg.
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