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Ausgabe 01/2022

Auf der Extrameile

PORTRÄT. Angelika Schätz leitet die Sektion I im Bundesministerium für Finanzen. Sie will Reformen ankurbeln, ihr Team fördern – und irgendwann einmal wieder auf einen Ball gehen. Von Karin Pollack

Anfang Dezember 2021 ist Österreich im vierten Lockdown. Angelika Schätz arbeitet derzeit teilweise im Home-Office und teilweise im Büro in der Himmelpfortgasse und steuert die Sektion I des Bundesministeriums für Finanzen samt sechs Ämtern im nachgeordneten Bereich der Finanzverwaltung. Insgesamt sind dies 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Mein Team vollbringt derzeit historische Leistungen“, sagt sie stolz. Im vergangenen Jahr wurde auf freiwilliger Basis sogar am Wochenende gearbeitet, damit die Wirtschaftshilfen und die Familienbeihilfen ausbezahlt werden konnten. „Dafür gab es vor Ausbruch der Pandemie einfach keinen Plan, wir mussten das in sehr kurzer Zeit auf die Beine stellen.“
Doch um ehrlich zu sein: Genau solche Herausforderungen mag Angelika Schätz. „Das Organisieren liegt mir“, sagt sie mit viel Elan in der Stimme. Sie sei keine Verwalterin, sondern eine Gestalterin. Als solche ist sie im Februar 2021 als Sektionschefin angetreten. Sie will zeigen, was „New Public Management“ bedeutet. Aktuell ist sie auf der Suche nach motivierten Menschen, die an dieser Vision mitwirken wollen.

Im Dreieck zwischen Verwaltung, Politik und Wirtschaft
Ihr Weg bis zu dieser verantwortungsvollen Position war im Dreieck zwischen Verwaltung, Politik und Wirtschaft durchaus sehr abwechslungsreich. Sie wuchs als Generals-Tochter in Wien auf. Seit ihrer Jugend interessierte sie sich für Politik, sammelte als Schülerin Politikerautogramme und ordnete sie fein säuberlich in Klarsichtfolien. Eigentlich hatte sie vor, Medizin oder Politikwissenschaften zu studieren, doch ihr Onkel, Universitätsprofessor in Graz, riet ihr 1991 zu Rechtswissenschaften. Im Nebenjob arbeitete sie im Schmuck- und Eheringgroßhandel, der so wie ihr heutiger Arbeitsplatz auch in der Himmelpfortgasse war. Irgendwann kannte sie den Betrieb so gut, dass man ihr dort die Planung und Durchführung der jährlichen Inventur übertrug. „50.000 Eheringe aus den Sackerln holen, wiegen und registrieren: das bestmöglich und in kürzester Zeit umzusetzen, hat mir wirklich Spaß gemacht.“
Nach Abschluss ihrer Dissertation wollte Angelika Schätz Richterin werden, absolvierte das Gerichtsjahr in St. Pölten. Doch im Jahr 2000 gab es keine freien Stellen, deshalb startete sie im Bundesministerium für Landesverteidigung, wo sie drei Monate lang ausschließlich Bescheide schrieb. Als sich die Möglichkeit bot, ins Wirtschaftsministerium zu wechseln, ergriff sie die Chance und beschäftigte sich dort mit den Regelwerken der Tourismusförderungen. Sie hatte eine „sehr gute, aber strenge Chefin“, die ihr äußerste Genauigkeit beim Umgang mit Zahlen und Excel-Listen beibrachte. „Das alles war Neuland, ich habe über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut.“ Das machte sie auch innerhalb des Ministeriums: Sie wurde Gender-Mainstreaming-Beauftragte und engagierte sich für das Audit Vereinbarkeit Familie und Beruf.
Im Jänner 2007 stellte sich Christine Marek als neue Staatssekretärin für Wirtschaft und Arbeit vor. Schätz bot ihr kurzerhand an, ob sie nicht in ihrem neuen Büro mitarbeiten könne. Marek machte sie zu ihrer Kabinettchefin. „Sie war eine Visionärin der Familien- und Frauenpolitik“, schwärmt Angelika Schätz. „Sie als meine Chefin hatte die Ideen, ich sorgte für die Umsetzung“, beschreibt sie ihren damaligen Job und ist nachhaltig stolz, dass in dieser Zeit das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld und das Gratis-Kindergartenjahr auf den Weg gebracht werden konnten.
Im Jahr 2011 wurde Angelika Schätz Bereichsleiterin für Budget und Administration im Wirtschaftsministerium und wurde mit dem großen Verwaltungsreformprojekt, der „Haushaltrechtsreform 2013“, betraut. Neben dem Umgang mit sehr großen Zahlenkonvoluten lernte sie die Umsetzung von Neuerungen, „durchaus auch gegen internen Widerstand“. Dabei war sie so erfolgreich, dass sie 2018 die Geschäftsführung der Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG) mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernehmen konnte. „Die BHAG als eigenständiges Unternehmen durch zahlreiche Innovationen auf neue Pfade zu bringen, war eine spannende Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.“
Im Februar 2021 mitten im Lockdown machte Angelika Schätz schließlich den bislang letzten großen Karriereschritt: Sie übernahm die Leitung der Sektion I im Finanzministerium. Führung, das weiß sie, heißt: Entscheidungen treffen. „Es ist nicht immer leicht, Verantwortung zu tragen, aber ich bin sehr motiviert und würde gerne auch andere dazu anspornen“, sagt sie. Zu tun gäbe es im Feinschliff der Modernisierung genug. In Anbetracht der bevorstehenden Pensionierungswellen in der Finanzverwaltung geht es vor allem darum, Personal für die Zukunft zu finden. Zudem müssen die IT-Systeme im Steuer- und Zollbereich fit fürs 21. Jahrhundert gemacht werden. Und: Prozesse wie etwa die Vergabe der Steuernummern oder im Gründungsverfahren müssen vereinfacht werden.

Immer etwas Wichtiges für die nächste Station gelernt
Privat bleiben durch ihren beruflichen Elan dafür andere Dinge liegen, wie etwa die Renovierung ihrer Wohnung. Im Prinzip sei sie ein sehr häuslicher Mensch, „doch es geht sich seit Jahren nicht aus“. Ebenso Sport: Einst trainierte sie an der Landesverteidigungsakademie, doch ihr Arbeitspensum lässt kaum Spielraum für Fitness. Vor der Corona-Pandemie war sie zudem oft im Theater und ging vor allem gerne auf Bälle. „Sie finden im zweiten Pandemiejahr in Folge nicht statt“, bedauert sie. Wichtig ist ihr vor allem ihr soziales Netzwerk, konkret ihr Familienund Freundeskreis, der sie durch alle Höhen und Tiefen trägt.
Was sie in den nächsten Jahren vorhat: „In jeder einzelnen Phase meines Berufslebens habe ich etwas Wichtiges für die nächste Station gelernt“, sagt sie und nennt dieses Prinzip „die Extrameile gehen“. Jeder Neuanfang erfordere zwar viel Energie, doch bisher war es die Anstrengung stets wert. Aktuell muss sie sich auf den neuen Finanzminister Magnus Brunner einstellen. Ihrer Linie des Umdenkens und Gestaltens will sie treu bleiben, „zu Gunsten der Republik“.

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