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Ausgabe 01/2024

Präsident mit klaren Zielen

PORTRÄT. Georg Kodek ist seit Anfang des Jahres Präsident des Obersten Gerichtshofes. Es ist ein Amt, für das er prädestiniert ist, weil er Richter und Wissenschafter in einer Person ist. Von Karin Pollack

I m Jahr 2002 erschien in der Manz-Publikation „Recht aktuell“ ein Porträt des damals 39-jährigen Richters Georg Kodek, der gerade seine 1000-seitige Habilitation zum Besitzschutz fertiggestellt hatte und als Jurist des Monats gefeiert wurde. Die Rechtswissenschaften seien seine Leidenschaft, erzählte er damals, am produktivsten sei er als Frühaufsteher in den Morgenstunden, und sein klar formuliertes Ziel sei es, eines Tages an den Obersten Gerichtshof (OGH) berufen zu werden. Jetzt ist dieses Ziel mehr als nur Wirklichkeit geworden. Es war Anfang September 2023, als erste Stimmen über die Neubesetzung an der Spitze des Obersten Gerichtshofes spekulierten. Ab Jänner 2024 würde Präsidentin Elisabeth Lovrek in Pension sein. Und neu war, dass ihre Nachfolge erstmals in einem neuen Bestellverfahren ausgewählt werden sollte. Nicht das Justizressort bestimmte wie bisher, sondern ein Personalrat bestehend aus OGH-Personalsenat, OGH-Außensenat und dem dienstältesten Präsidenten eines Oberlandesgerichts. Die Wahl fiel auf den „Vollblutjuristen“ Georg Kodek, wie derStandard schließlich Mitte Dezember vermeldete. Im Online-Forum, das als eine Art Stimmungsbarometer im Land gilt, wurden Kodek mehrheitlich Rosen gestreut. Als „geistig blitzschnell, fleißig und produktiv“ wurde er dort beschrieben, sein wissenschaftliches Oeuvre als „fast unmenschlich“ umfangreich bezeichnet. „Kodek ist Ehrenkodex“ war zu lesen. Kurzum: Auch Justizministerin Alma Zadic folgte dem Personalvorschlag und seit 1. Jänner ist der 60-Jährige nun in Amt und Würden.

Den OGH ins 21. Jahrhundert geführt
Er kennt das Haus und seine Gepflogenheiten seit 2006, als er Hofrat am OGH wurde. „Ich möchte den Obersten Gerichtshof ins 21. Jahrhundert führen. Wir sind in der Justiz in manchen Bereichen führend, in anderen haben wir steinzeitliche Bastellösungen“, verkündete er in seinem Antrittsinterview in der Tageszeitung „Die Presse“. Es ist davon auszugehen, dass er genau weiß, wo die Schwachstellen im System sind. Schließlich kennt er das System von innen, war seit 1991 Richter zuerst in Wien, später in Eisenstadt. Er erachtet die Vereinfachung von Gesetzen, Digitalisierung und Transparenz in Verfahren als wichtige Stoßrichtungen. Bestens informiert, objektiv und besonnen – so legt er seine neue Rolle in diesem Interview an, aus jedem seiner Sätze schwingt die Hochachtung für Rechtsstaat und Verfassung mit. Sein sicherer Blick gründet auf einem soliden akademischen Fundament. Denn Kodek war neben seinem Richteramt stets auch mit Fleisch und Blut als Wissenschafter tätig. Seit 2007 ist er auch Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, zuletzt als Vorstand des Departments für Privatrecht. Kaum ein zivilrechtliches Thema, das er nicht beackert hätte – seine Publikationsliste ist 28 Seiten lang. Als Autor bekannt ist er heute vor allem als Mitherausgeber des Lehrbuches zum Bürgerlichen Recht, gemeinsam mit Stefan Perner und Martin Spitzer.

Wie ist die Passion für sein Fach entstanden?
Schon Kodeks Vater war Jurist, allerdings wählte er nach der Schulzeit in Hietzing das Studium der Rechtswissenschaften erst einmal nur deshalb, weil „es ein Brotstudium war. Ich wollte ursprünglich einmal etwas Interessanteres als mein Vater machen“, erinnert er sich. Deshalb studierte er nebenher auch Altphilologie, hat zwar alle Prüfungen, nur die Diplomarbeit nicht. „Mein Interesse ist jedoch ungebrochen“, sagt er.

Nach Abschluss des Jusstudiums ging er für ein Postgraduate-Studium an die Northwestern University in Chicago. Georg Kodek wollte dann allerdings auch die amerikanische Wirklichkeit kennenlernen und organisierte sich ein Praktikum in Brooklyn als Assistent einer New Yorker Staatsanwältin. „In den USA habe ich die Objektivität unserer hiesigen Verfahren kennengelernt“, sollte er feststellen. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass sich der Blick über den Tellerrand stets lohnt. Ein fachlicher Schwerpunkt der letzten Jahre an der WU war Insolvenzrecht, in einem Youtube-Video dekliniert er, was passiert, wenn ein Staat bankrott geht, die USA diente ihm wieder als Vorbild. Seine Professur wird er beibehalten, allerdings in deutlich reduziertem Ausmaß. Mit der Justizministerin hat er vereinbart, seine Lehrtätigkeit auf zwei Wochenstunden zu reduzieren.

Und wer ist Georg Kodek privat?
„Ein Familienmensch“, sagt er. Mit seiner Frau Marianne, auch sie Richterin, ist er seit 1995 verheiratet, die beiden haben einen erwachsenen Sohn, ihre Tochter ist letztes Jahr bei einem Fahrradunfall ums Leben gekommen. Ein großes Unglück. War er früher ein Stadtmensch, verbringt er jetzt gerne Zeit in seinem kleinen Wochenendhaus auf der Rax. Noch immer geht er gerne in die Staatsoper, mag das französische Repertoire im Programm. Einst fuhr er für Aufführungen, die er sehen wollte, sogar quer durch Europa, dafür bleibt ihm wenig Zeit – vor allem in den nächsten Monaten. Aktuell hat die Einarbeitung in den neuen Verantwortungsbereich Priorität, auf lange Sicht will er jedoch weiter publizieren, an Ideen fehlt es ihm nicht. Als Morgenmensch wird er wahrscheinlich schreiben, wenn die meisten anderen noch schlafen. Aktuell begeistert ist er übrigens von Joachim Leges Buch „Gelingendes Recht“ – eine Buchempfehlung.

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