BAO. Das ist hier die Frage. Über Rechtsbehelfe gegen VZ-Bescheide und Sicherheitszuschlag bei Außenprüfungen. Von Christian Prodinger
Bekanntlich ist der Steuerpflichtige verpflichtet, auf die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer quartalsmäßig Vorauszahlungen zu leisten. Diese werden mit einem eigenen Bescheid festgesetzt. Nach § 45 Abs. 3 EStG darf das Finanzamt nach dem 30. September für das laufende Jahr keine Bescheide über eine Änderung der Vorauszahlung erlassen. Dies gilt jedoch nicht für Bescheide aufgrund eines Antrages, den der Steuerpflichtige bis zum 30. September gestellt hat, sowie für eine Änderung in einem Rechtsmittelverfahren.
Welche Möglichkeiten bestehen?
Was passiert nun, wenn das Finanzamt einen Vorauszahlungsbescheid erlässt, der insofern falsch ist, als zum Beispiel Verlustvorträge nicht berücksichtigt wurden? Gegen diesen Bescheid, der bis zum 30. September ergangen sein muss, kann natürlich einfach Beschwerde erhoben werden. Es gelten die üblichen Regelungen des § 254 BAO sowie des § 212a BAO hinsichtlich der Aussetzung. Die Entscheidung des Finanzamtes kann auch nach dem 30. September erfolgen. Interessant ist, welche Möglichkeiten bestehen, wenn eine Beschwerde nicht rechtzeitig eingebracht wurde. Denkbar ist hier die Wiederaufnahme nach § 303 BAO, wenn dem Finanzamt noch nicht bekannte Tatsachen bekannt gemacht werden können. Da in der Regel dem Steuerpflichtigen die Tatsachen bekannt gewesen sein werden, muss die Wiederaufnahme dann von Amts wegen erfolgen. Möglich erscheint grundsätzlich auch ein Antrag nach § 299 BAO, für den bekanntlich eine einjährige Frist gilt. Rechtswidrig wäre im Beispiel der Bescheid wegen Nichtberücksichtigung der Verlustvorträge allemal. Allerdings argumentieren die Finanzämter, dass eine Änderung des Bescheides nicht mehr zulässig ist, da § 299 BAO (und auch § 303 BAO) kein Rechtsmittel darstelle. Dies stützt sich auf Judikatur des VwGH (VwGH 25.4.2019, Ro 2019/13/0021), wonach gegen Prüfungsaufträge nach § 148 Abs. 4 BAO keine Rechtsmittel zulässig sind. Nach dem VwGH war sehr wohl ein Antrag nach § 299 BAO zulässig, da dieser systematisch kein Rechtsmittel, sondern eine „Sonstige Maßnahme“ darstellt. In der Literatur (z.B. Peyerl in JAKOM § 45 Tz 19; s.a. Blasina, BFGjournal 215, 330) wird die Anwendbarkeit von § 299 BAO durchaus vertreten. Argumentiert wird auch, dass es sich um keine Festsetzung der Vorauszahlungen für das laufende Jahr handle. Formal mag die Umlegung der Judikatur des VwGH etwas für sich haben. Allerdings spricht gegen dieses Argument, dass offensichtlich nach § 45 Abs. 3 BAO Änderungen eines Bescheides, weil dieser rechtswidrig war, zulässig sein sollen. Dass hier der Gesetzgeber nur Rechtsmittel im engeren Sinne und nicht sonstige Maßnahmen gemeint hat, ist auch im Hinblick auf den Gleich - heitsgrundsatz nicht ohne weiteres ver - ständlich. Zusammenfassend kann daher allenfalls ein Antrag nach § 299 BAO gestellt werden; es besteht jedoch das Risiko, dass diesem Antrag schon aus formalen Gründen nicht gefolgt wird. Es sollte daher immer Beschwerde erhoben werden, und daher auf die Einhaltung der Beschwerdefrist geachtet werden. Der „Ausweg“ des § 299 BAO könnte versperrt sein.
Sicherheitszuschlag
Nach § 184 BAO ist die Abgabenbehör - de berechtigt, die Grundlagen für die Ab - gabenerhebung zu schätzen, wenn sie die - se nicht ermitteln oder berechnen kann, insbesondere wenn der Abgabenpflichti - ge keine Aufklärungen gibt oder Bücher oder Aufzeichnungen nicht vorlegt oder diese sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu zie - hen (§ 184 Abs. 3 BAO). Auch die Verhängung eines Sicher - heitszuschlages ist nichts anderes als eine Schätzung (Ritz, BAO § 184 Tz 18 mVa die Rsp des VwGH).
Der Außenprüfer hat festgestellt
In einem Fall aus der Praxis hat der Außenprüfer festgestellt, dass zwar das Rech - nungswesen der Gesellschaft korrekt ist und sich auch keine Feststellungen dies - bezüglich ergeben haben, jedoch in der Mehr-Weniger-Rechnung bestimmte Fehler aufgetreten sind. Der Prüfer hatte argumentiert, dass er nicht ausschließen kann, dass noch weitere Fehler gegeben sind, und er daher einen Sicherheitszu - schlag in einem Prozentsatz von der Bi - lanzsumme festlegen will. Fraglich ist, ob ein Sicherheitszuschlag in dieser Konstellation zulässig ist. Dies ist nicht der Fall: Die Befugnis bzw. Verpflichtung zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (vergleiche Ritz, BAO § 184 Tz 6 mVa Stoll, BAO, 1912; VwGH 28.2.1995, 94/14/0157; 19.3.2003, 2002/16/0255; 3.8.2004, 2001/13/0022; 1.6.2006, 2002/15/0174; 23.2.2010, 2008/15/0027; vgl. VwGH 4.12.2003, 2003/16/0148, Schätzung als ultima ratio), nicht aber auf bloßen „Schwierigkeiten“ sachlicher oder recht - licher Natur. Deren Überwindung mag Mühe kosten, die aber aufzuwenden ist (z.B. VwGH 13.9.2006, 2002/13/0105). Sicherheitszuschläge setzen auch voraus, dass bestimmte Vorgänge nach gewiesenermaßen nicht erfasst wurden. Daher ist es unzulässig, wegen bloß formeller Mängel der Aufschreibungen einen Sicherheitszuschlag zu verhängen (Ritz, BAO § 184 Tz 18). Im Übrigen dürfen nach ganz überwie - gender Literaturmeinung und der Judika - tur des VwGH (z.B. VwGH 28.2.2012, 2008/15/0005, 2008/15/0006; 2.10.2014, 2012/15/0123 sowie Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB § 184, 501; ebenso Ritz, BAO § 184 Tz 18 letzter Absatz) Sicherheitszuschläge keine Strafzuschläge sein. Somit ergibt sich aber, dass schon dem Grunde nach für Fehler in der Mehr-Weniger-Rechnung keine Befugnis zur Verhängung eines Sicherheitszuschlages gegeben ist. Sollte ein solcher Bescheid festgesetzt werden, ist mit Rechtsmittel vorzugehen. Nicht auszuschließen wäre, dass eine der - artige Vorgangsweise derart rechtswidrig ist, dass sogar Amtshaftungsansprüche gegeben sein könnten.
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