INTERVIEW. Im Hinblick auf die Ausbildung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wurden mit dem WTBG 2017 wesentliche Änderungen vorgenommen. Ein Interview über die Ausbildungsaktivitäten mit Gerhard Stangl, Geschäftsführer der Akademie, und Hans Temmel, Fachbereichsleiter für den Bereich Ausbildung.
ÖGSWissen: Die Akademie der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hat eine beeindruckende Entwicklung genommen. Mittlerweile ist das Angebot sowohl im Bereich der Ausbildung, der Weiterbildung und auch der Kooperation in Studienangeboten beachtlich. Können Sie uns ein paar Eckdaten zum Ausbildungsprogramm sagen?
Stangl: Das Ausbildungsangebot ist in der Tat breit gefächert und reicht vom Kanzleieinstieg über die Diplome Buchhalter, PV und Bilanzbuchhalter bis zur Vorbereitung auf die Fachprüfungen StB/WP. Es gibt jeweils eine Vielzahl an Kursen, die nach den zeitlichen und örtlichen Präferenzen sowohl eine fundierte Ausbildung für die berufliche Praxis wie auch eine optimale Hinführung zu den Prüfungen bieten soll.
Temmel: Allein für die StB/WPAusbildung bietet die Akademie rund 800 Kurstage pro Jahr an – bei hoher Qualität der Vorträge, die wir unseren exzellenten Vortragenden verdanken und sehr günstigen Preisen pro Kurstag.
Die Ausbildung StB/WP wurde mit dem WTBG 2017 auf neue Beine gestellt. Welche Hauptgründe können für diese Änderungen genannt werden?
Temmel: Einer der Gründe war, die Basisausbildung StB/WP anzugleichen und darauf aufbauend die Spezialisierung für die beiden Berufe zu ermöglichen. Die Basisausbildung umfasst BWL, Rechnungslegung und Rechtslehre, die Spezialisierung erfolgt über das Abgabenrecht bzw. die Abschlussprüfung.
Stangl: Zudem sollte eine gewisse Attraktivierung des Berufsstands erreicht werden, z.B. durch eine kürzere Klausurdauer pro Fach. Weiters kann man bereits nach 18 Monaten zur ersten Klausur antreten und die Anzahl der Prüfungstermine wurde ausgeweitet, um die Flexibilität für die KandidatInnen zu erhöhen.
Aus Sicht der Berufsanwärter muss es die Zielsetzung der ASW sein, sie möglichst dabei zu unterstützen, die Prüfung positiv absolvieren zu können. Wie haben sich die Kurse den neuen Prüfungsvorgaben angepasst?
Stangl: Der Stoffumfang ist mittlerweile derartig umfangreich geworden, dass keinesfalls alle Themen im Rahmen der Ausbildung behandelt werden können. Anspruch der Akademie und deren Vortragenden ist es jedoch, die wesentlichsten Themen umfassend abzudecken. Ein selbstständiger Berufsstand erfordert halt ein gewisses Maß an Eigenverantwortung, auch in der Prüfungsvorbereitung.
Temmel: Das neue Ausbildungssystem gliedert sich in drei Stufen: Die Grundlage bildet ein Fachkurs für die Einführung in das Stoffgebiet. Das Herzstück bildet der Intensivkurs, in welchem der Prüfungsstoff umfassend durchgenommen und anhand von Beispielen aufbereitet wird. Voraussetzung für einen effizienten Kursbesuch ist das Beherrschen der Fachkursinhalte. Schlussendlich werden spezielle Prüfungsvorbereitungskurse angeboten, die weniger der Stoffvermittlung dienen, sondern primär der Simulation der Prüfungssituation – ein wichtiger Schritt in der konkreten Prüfungsvorbereitung.
Stangl: Wesentlich ist, dass die Kursbesuche vollkommen freiwillig sind. Die KandidatInnen sollen teilnehmen, weil sie diese als solide Prüfungsvorbereitung empfinden. An sich wäre es aber genauso möglich, ohne Kursbesuch der Akademie zur Prüfung anzutreten. Wir sehen jedoch, dass das Angebot sehr gut angenommen wird. Gleichzeitig ist es uns ein Anliegen, dass die Prüfungsvorbereitung auch eine praktische Ausbildung für die tägliche Berufsausübung darstellt.
Für die Zusammenstellung der Prüfungen ist ein Prüfungsausschuss eingerichtet. Wie funktioniert die Auswahl der Prüfungsbeispiele für schriftliche Prüfungen allgemein? Sind die Vortragenden der Akademie in diesen Prozess eingebunden?
Stangl: Die ASW stellt den Prüfungskommissären der KSW die Unterlagen/ Skripten der Kurse zur Verfügung. Viele Vortragende sind auch Prüfungskommissäre. Die Inhalte der Vorträge werden laufend an die neuen Erfordernisse angepasst. Die Vortragenden setzen sich immer mit den Beispielen und Inhalten der letzten Prüfungen auseinander. Es gibt also ein ständiges Austauschverhältnis zwischen Prüfern und Vortragenden bzw. zwischen der Akademie und der Kammer. Die Vortragenden der Akademie bringen auch regelmäßig Beispiele in den Prüfungspool für die schriftlichen Prüfungen ein. Zwei Dinge muss ich in diesem Zusammenhang festhalten: erstens sind die Prüfungskommissäre in ihrer Funktion absolut autonom und zweitens kennen die Vortragenden im Vorhinein die konkrete Prüfung selbstverständlich nicht!
Temmel: Das Ergebnis ist ein umfassender Feedbackprozess, um die Prüfungsvorbereitung auf einem bestmöglichen Niveau zu halten.
Welche Empfehlungen hätten Sie auf dieser Basis für die Prüfungen?
Temmel: Zwar gibt es formal keine Reihenfolge für die Prüfungen, dennoch dürfte es sich als zielführender erweisen, zunächst die Basisthemen anzugehen und danach die Spezialisierungen.
Stangl: Wichtig ist, die Struktur der Problemstellungen zu erkennen und die entsprechenden Lösungen zu erarbeiten. Dann kann man bei der Prüfung auch mit neuen Fragestellungen gut umgehen. Unbedingt abzuraten ist, bloß verschiedenste Fallkonstellationen auswendig zu lernen. Die Prüfungsteilnehmer sollten zudem Klausuren in Echtzeit mit der Hand üben. Heutzutage schreibt man kaum mehr mit der Hand und schwer lesbare Handschriften erleichtern die Korrektur der Klausuren nicht! Außerdem erlebt man bei Echtzeittrainings die Prüfungssituation sehr realitätsnah.
Welche Erfahrungen hat man in der Akademie mit der Coronakrise gemacht bzw. wie geht man mit den neuen Anforderungen um?
Temmel: Die Anforderungen der Coronakrise haben uns vor zahlreiche organisatorische Aufgaben gestellt. Wir konnten jedoch schnell reagieren. Mit den nicht mehr benötigten Laptops in den Kurssälen wurden Vortragende und MitarbeiterInnen ausgestattet, sodass wir unsere Kurse sehr rasch online anbieten konnten. Die gute Kommunikation mit der Prüfungsabteilung der KSW war in dieser Phase sehr nützlich. An dieser Stelle herzlichen Dank dafür!
Stangl: Die schnell umgesetzte Umstellung auf Online-Unterricht hat hervorragend funktioniert. Dies ist nicht zuletzt der hohen Flexibilität der Vortragenden zu danken. Die guten Rückmeldungen der TeilnehmerInnen zeigen deutlich, dass es sich beim Online- Unterricht nicht um eine Eintagsfliege oder eine Notlösung handelt. Vielmehr werden in Zukunft die meisten Vorbereitungskurse auch online angeboten werden.
Temmel: Die Ausbildungskurse dauern meistens mehrere Tage. Dies ist für online tendenziell weniger gut geeignet. Die Erfahrungen der letzten Monate sind allerdings je nach Zielgruppe und Themen sehr unterschiedlich. Auch wenn Präsenzseminare allgemein für lange Ausbildungsveranstaltungen besser geeignet erscheinen, gibt es zahlreiche Nachfragen nach Online-Veranstaltungen.
Abschließend vielleicht noch ein paar Worte zu akademischen Ausbildungen, die von der ASW mitbetreut werden?
Stangl: Die Akademie bleibt im Bereich der akademischen Ausbildung weiterhin voll am Ball. Für StB-KandidatInnen bieten wir das LL.M.-Studium Steuerrecht und Rechnungslegung gemeinsam mit der Uni Wien an, das postgradual sehr gut auf die Steuerberaterprüfung vorbereitet. Für die BerufsanwärterInnen WP gibt es ein neues, attraktives Programm: gemeinsam mit der WU Executive Academy bieten wir einen Professional Master Accounting, Auditing & Tax an, der sowohl auf die WP-Klausuren vorbereitet als auch zum PM hinführt. Wir sind davon überzeugt, dass solche Programme eine exzellente Grundlage für die berufliche Tätigkeit als Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer sind.
Hans Temmel, Fachbereichsleiter für den Bereich Ausbildung | Gerhard Stangl, Geschäftsführer der Akademie |
Vielen Dank für das Gespräch!
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