STRAFVERFAHREN. Woran orientiert sich die Strafpraxis im Finanzstrafgesetz? Von Klaus Hübner
In rund 85 Prozent der jährlich ca. 8.000 verwaltungsbehördlich eingeleiteten Strafverfahren kommt es schlussendlich – allenfalls auf Basis eines zuvor im Untersuchungsverfahren erfolgreich reduzierten strafbestimmenden Wertbetrages – zu einer Bestrafung. Insofern ist es für Ihren Mandanten hilfreich, wenn Sie ihm im Anlassfall einer drohenden Bestrafung eine Groborientierung über die zu erwartende Strafe geben können. Im Finanzstrafgesetz wird nicht das Tagessatzsystem des Strafgesetzbuches angewandt, sondern es kommt zur Festsetzung einer Geldsummenstrafe. Eine Diversion ist weder im gerichtlichen noch verwaltungsbehördlichen Verfahren möglich.
Endgültig oder vorübergehend?
Die Strafbemessung orientiert sich nach § 23 Abs. 2 FinStrG einerseits nach dem Grad der Schuld und nebst der Frage der Milderungs- und Erschwernisgründe auch daran, ob die Verkürzung endgültig oder nur vorübergehend erfolgte (was bei UVA-Delikten vom Verteidiger zu relevieren ist), und auch, ob die Begehung gewerbsmäßig erfolgte. Außerdem sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Zeitpunkt der Bestrafung zu berücksichtigen. (Dies erfolgt meiner Erfahrung nach im FinStrG, wo sich Bandbreiten „eingebrannt haben“, eingeschränkter als nach dem Strafgesetzbuch.) Rund die Hälfte der Strafverfahren betreffen Finanzordnungswidrigkeiten. Darunter am häufigsten die Tatbestände nach § 49 FinStrG (die mit Eventualvorsatz erfolgte Nichtentrichtung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, Lohnsteuer etc.). Die maximale Strafdrohung beträgt hierbei 50 Prozent des verkürzten Betrages. Die Praxis der Bestrafung liegt bei rund 5 bis 15 Prozent, im Durchschnitt also bei 10 Prozent des strafbestimmenden Wertbetrages. Bei Hinterziehungen nach § 33 beträgt die maximale Strafdrohung 200% des verkürzten Betrages. Die nur in besonderen Fällen unterschreitbare Mindeststrafe beträgt 20% des strafbestimmenden Wertbetrages. In der Praxis wird der Großteil dieser Hinterziehungen mit 25 bis 40 Prozent bestraft (zum Beispiel bei einer Hinterziehung von EUR 50.000 also mit rund EUR 12.500 bis 20.000).
Innerhalb dieser Bandbreiten spielen die Milderungsgründe, vor allem Schadensgutmachung und Geständnis, wie auch Erschwernisgründe, hier vor allem Vorstrafe und gewerbsmäßige Begehung, eine entscheidende Rolle. Die Strafdrohung bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 34 FinStrG beträgt 100 Prozent des Verkürzungsbetrages. Die Praxis der Strafhöhe liegt bei diesem Delikt erfahrungsgemäß bei rund 15 bis 20 Prozent des strafbestimmenden Wertbetrages. Soweit erkennbar, ist obige Bestrafungspraxis bundesweit üblich. Kommt es zu einer Doppelbestrafung, so wird in der Praxis der gesetzliche Milderungsgrund für die „eigene“ GmbH mit ca. 60 bis 90 Prozent der dem Geschäftsführer auferlegten Strafe bemessen (bei einer Strafe des Geschäftsführers von EUR 10.000 beträgt dann die Verbandsgeldbuße für „seine“ GmbH ca. EUR 6.000 – 9.000).
Bedingte Strafen gibt es im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht. Im gerichtlichen Verfahren sind sie möglich, aber statistisch gesehen in den letzten Jahren deutlich „rückläufig“, und kommen praktisch auch nur für Ersttäter in Frage.
Die gleichzeitig mit der Geldstrafe für den Nichteinbringungsfall festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe wird in der Mehrzahl der Fälle mit EUR 400 pro Tag bestimmt (eine Geldstrafe von EUR 8.000 entspräche somit 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe). Allerdings haben sich seit einem VfGH-Erkenntnis im Jahr 2012 die Fälle der anzutretenden Ersatzfreiheitsstrafe deutlich reduziert. War bis dahin der „Sozialdienst“ (Erbringung gemeinnütziger Leistungen) nur im gerichtlichen Finanzstrafverfahren möglich, so hat dies der VfGH als unsachliche Schlechterstellung erkannt.
Kann also die Geldstrafe nicht einbringlich gemacht werden, so hat der Bestrafte als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe die Möglichkeit, Sozialdienst zu leisten, wobei vier Stunden Sozialdienst einem Tag Haft entsprechen (bei 20 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sind 80 Stunden Sozialdienst zu leisten). Organisiert wird dieser Sozialdienst vom gerichtsnahen Verein „Neustart“, der in jeder Landeshauptstadt präsent ist. Zu berücksichtigen sind für Ihren Mandanten auch noch die gesetzlichen Verfahrenskosten von 10 Prozent, aber maximal EUR 500,–.
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