INTERVIEW. Worauf müssen sich Berufsanwärter einstellen? Ein Interview mit Benjamin Wiesbauer
Wie ist es zu Ihrer Berufswahl gekommen?
Mit 14 wechselte ich in die Handelsakademie in Floridsdorf (Vienna Business School), wo ich nach kurzer Zeit Interesse in den Fächern Rechnungswesen und Controlling entwickelte. Kurz vor Abschluss meines Bachelorstudiums an der WU Wien begann ich ein sechsmonatiges Praktikum bei einer großen Steuerberatungskanzlei im Zweiten Wiener Gemeindebezirk, welche mir bereits nach wenigen Wochen eine unbefristete Anstellung anbot. Nach rund 4 Jahren Berufsanwärterzeit, einem parallelen Masterstudium an der WU Wien (Master Steuern und Rechnungslegung) sowie aufgrund der anstehenden Geburt meines Sohnes entschied ich mich 2015 dazu, der zeitlich vereinnehmenden Beratungsbranche den Rücken zu kehren. Nach drei interessanten und lehrreichen Jahren in leitenden Positionen in Finance- Bereichen von KMU entstand ein Kontakt zur Steuerberatungskanzlei Schabetsberger & Partner GmbH im 1. Wiener Gemeinebezirk. Seit Anfang 2018 bin ich dort wieder als Berufsanwärter tätig und genieße eine Kombination aus breiten und interessanten Aufgabengebieten, fachlich und persönlich tollen Kollegen sowie einer Unternehmensführung, welche viel Wert auf das berufliche und private Wohl ihre Mitarbeiter legt.
Wie verläuft Ihr typischer Arbeitstag als Berufsanwärter?
Den gibt es in diesem Beruf erfahrungsgemäß nicht. Man weiß nie, was der nächste Anruf oder die nächste E-Mail bringt. Sei es eine Anfrage eines Mandanten, welcher eine dringende Stellungnahme benötigt, oder die Idee, noch Mitte September eine Umgründung rückwirkend zum 31. 12. des Vorjahres durchführen zu wollen. Aber die wesentlichen Kernaufgaben liegen in meinem Fall in der Bilanzierung, Erstellung von Steuererklärungen, Ausarbeitung von steuerrechtlichen Fragestellungen sowie diversen Sonderprojekten.
Inwieweit entspricht die Arbeitspraxis dem, was Sie sich in der Ausbildung vorgestellt haben?
Das Masterstudium Steuern und Rechnungslegung an der WU Wien hat eine sehr gute Vorbereitung für das Berufsleben geboten. Vor allem die Vielzahl an Vortragenden, die selbst in der Branche sind, brachte Eindrücke aus der Praxis in den Vorlesungssaal.
Wie bekommen Sie Beruf und Prüfungsvorbereitung unter einen Hut?
Auch wenn mein erster Prüfungsantritt erst im Oktober 2018 stattfindet, versuche ich mich laufend mit dem Prüfungsstoff auseinanderzusetzen. Allerdings wird bereits jetzt deutlich, dass die Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung viel Zeit beansprucht und viel Einsatz notwendig ist, um Lernen, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Hier schätze ich besonders den Respekt, den meine Vorgesetzen dem Privatleben von uns Mitarbeitern außerhalb der Kanzlei entgegenbringen.
Was sagen/fragen Ihre Freunde und Bekannten über Ihre Berufswahl?
Fachunkundige Freunde zeigen wenig Verständnis über meine Berufswahl, da sie die Tätigkeit als langweilig einschätzen. Sie stellen sich vor, dass ich den ganzen Tag hinter hohen Aktenbergen Bücher mit trockenen Paragraphen und Gesetzestexten wälze. Aber spätestens wenn ihre Jahressteuererklärung fällig ist, schätzen sie meine Kenntnisse.
Was empfehlen Sie jenen, die gerade in Ausbildung sind?
Mein Tipp: Sich bereits während der Ausbildung oder zumindest in Ferienzeiten als Teilzeitkraft oder PraktikantIn erste Eindrücke aus der Praxis zu holen. So kann man früh erkennen, ob dieser Beruf das ist, was man tatsächlich machen möchte. Auch sollten nicht ausschließlich Großkanzleien im Fokus von Absolventen stehen. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass kleine und mittelgroße Kanzleien interessante Tätigkeiten bieten können und das Aufgabengebiet für Berufsanwärter oft sogar breiter ist als in spezialisierten Abteilungen großer Beratungsunternehmen.
„Ich würde gerne die Leitung eines kleinen Teams übernehmen und junge Berufsanwärter ausbilden. Längerfristig könnte ich mir auch den Schritt in die Selbstständigkeit vorstellen ...“
Benjamin Wiesbauer
Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach der Berufsanwartschaft?
Ich würde gerne die Leitung eines kleinen Teams übernehmen und junge Berufsanwärter ausbilden. Längerfristig könnte ich mir auch den Schritt in die Selbständigkeit vorstellen, sei es durch Neugründung einer eigenen kleinen Kanzlei, Beteiligung an einer bestehenden Kanzlei oder durch ein Partnerschaftsmodell.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach Ihr Beruf in den nächsten Jahren entwickeln?
Ich glaube, dass sich der Trend weg von der typischen Steuerberatung (Buchhaltung, Steuererklärungen etc.) hin zur Professionalisierung der betriebswirtschaftlichen Beratung weiter verstärken wird. Die klassischen Aufgaben werden bereits heute durch gut programmierte Software automatisiert, bzw. wächst die Konkurrenz in diesen Bereichen durch die Vielzahl an alternativen Anbieten (zB. Bilanzbuchhaltern) stetig. Auch die IT-Kompetenz des Steuerberaters wird künftig immer wichtiger sein. Angefangen bei der Beratung seiner Mandanten bei der Wahl der richtigen Software bis hin zur Konfiguration von Schnittstellen, um Daten aus diversen Anwendungsprogrammen in die FIBU zu spielen.
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