ZUKUNFT. Das gilt auch und vor allem für die Transformationsprozesse rund um die digitale Buchführung. Von Paul Heissenberger
In Zeiten der Corona-Pandemie sind wir Steuerberatungskanzleien sehr stark durch die Abwicklung diverser Förderungen belastet. Sowohl die Kanzleiinhaber als auch deren Mitarbeiter sind durch die zusätzlichen Verwaltungstätigkeiten wie das Einholen von Aufträgen, Vollmachten, Bestätigungen sowie selbstverständlich durch das laufende Recherchieren und Berechnen der Förderungen und Feststellen, welche Mandanten antragsberechtigt sind, seit über eineinhalb Jahren im Ausnahmezustand.
Als Inhaber einer kleinen Steuerberatungskanzlei, welcher tagtäglich die Herausforderungen dieser Zeit in der eigenen Kanzlei erlebt, versuche ich die Situation in den Kanzleien auch der KSW zu vermitteln und gerade die Anliegen der kleinen Kanzleien zu vertreten. Verständlicherweise hat aktuell in vielen Kanzleien das Thema Digitalisierung und das Erstellen von Schnittstellen zu Buchhaltungsprogrammen von Mandanten nicht die oberste Priorität, aber man sollte es für die Zeit nach der Krise im Hinterkopf behalten. Insbesondere der 30. Juni und der 31. August waren eine große Herausforderung, da neben den laufend endenden Förderfristen am 30. Juni auch die Frist zur Registrierung für den EU-OSS endete. Somit war auch hier die Beratung betreffend die Änderung von Schnittstellen zur Buchhaltungssoftware hauptsächlich jener Mandanten gefragt, die im E-Commerce tätig sind.
Digitale Buchführung ist bereits in den meisten Steuerberatungskanzleien angekommen. Viele Unternehmer wissen jedoch noch nicht ausreichend Bescheid über die Möglichkeiten und Vorteile. In Zukunft wird ein großes Beratungsfeld darin liegen, wie die Daten in möglichst guter Qualität mit möglichst wenig Zeitaufwand in die Software des Steuerberaters übernommen werden können. Das führt zu einer reibungslosen Datenübermittlung an den Steuerberater und in weiterer Folge zu einer längeren Kundenbindung, weil ein einmal funktionierendes System nicht so schnell geändert wird. Als Steuerberater wird man sich einer digitalen Zukunft über kurz oder lang stellen müssen, denn die Entwicklung in der Buchhaltung ist vorgezeichnet. Heute fragen bereits viele Mandanten an, ob sie die Unterlagen auf elektronischem Weg übermitteln können. Insbesondere verstärkt sich die Nachfrage nach der Optimierung von Buchhaltungsabläufen im Zusammenhang mit E-Commerce-Lösungen. Hier ist die Anforderung ganz klar, dass über Schnittstellen die Daten sowie die Belege in die Buchhaltungssoftware der Steuerberatungskanzlei eingespielt und somit verbucht werden können. Neben den Schnittstellen etwa zum Webshop oder zur Fakturierungssoftware des Mandanten ist auch die Umsetzung von Schnittstellen zu den Zahlungsanbietern wie etwa Stripe, Concardis, Paypal usw. ein wichtiger Punkt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es gibt keine Belegtransporte mehr, Belege müssen nicht mehr gelocht, abgelegt und auch nicht mehr in den Ordnern gesucht werden. Die Daten sind digitalisiert und jederzeit per Klick online abrufbar. Es versteht sich von selbst, dass sich durch die Digitalisierung der Belege und die (teil)automatisierte Verbuchung auch Änderungen in den Arbeitsabläufen einer Steuerberatungskanzlei ergeben.
Kein Honorarverlust!
Neben den aktuell sehr umfangreichen Tätigkeiten betreffend Förderungen ist oft auch die Befürchtung von Honorareinbußen durch kürzere Bearbeitungszeiten ein gerne verwendetes Argument, um das Thema Digitalisierung hinauszuschieben. Meiner Einschätzung nach wäre es möglich, dass es zu überhaupt keinem Honorarverlust kommt. Daher sollte das Ziel der Buchhaltung für die Zukunft sein, einen Mehrwert für den Mandanten zu schaffen. Das gelingt, wenn man die Mandanten mit qualitativ hochwertigen Auswertungen aus der Buchhaltung versorgt, aus denen sie Entscheidungsgrundlagen für ihr Geschäft ableiten können. Man kann sich aber sicher sein, dass unsere Mandanten gerne bereit sind, im Vergleich zur manuellen Buchhaltung denselben oder sogar einen leicht höheren Preis zu bezahlen, wenn der Output aus der Buchhaltung und die betriebswirtschaftliche Beratung verbessert werden. Auf Seiten des Steuerberaters ergeben sich durch die Digitalisierung der Buchführung zuerst Veränderungen und anschließend Verbesserungen – spätestens dann, wenn eine Vielzahl von Mandanten für die digitale Buchführung gewonnen werden konnte. Werden nämlich die Schnittstellen zwischen dem Webshop oder dem Fakturierungsprogramm des Mandanten und der Buchhaltungssoftware des Steuerberaters richtig programmiert und optimiert, ergibt sich für den Steuerberater nicht nur eine Zeitersparnis, sondern auch eine Reduzierung der Fehleranfälligkeit. In der Phase der Schnittstellenentwicklung ist es daher ratsam, sich ausreichend Zeit digitalen Wandel einer Kanzlei wegdelegieren kann oder soll. zu nehmen und alle Eventualitäten durchzuspielen. Auf diese Weise können mögliche Fehlerquellen ausgeschlossen und Themen wie z. B. innergemeinschaftliche Lieferungen oder Lieferungen innerhalb Österreichs, aber auch die Darstellung von EU-OSS von vornherein richtig definiert werden. Aktuell ist die Frage, ob man den Wandel einer Kanzlei wegdelegieren kann oder soll. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass der Steuerberater selbst sich dieser wichtigen Sache annehmen muss – insbesondere deshalb, weil es in der Schaffung der Schnittstellen umsatzsteuerliches Expertenwissen braucht. Es spricht nichts dagegen, dieses Projekt mit einer kleinen Zahl an Mitarbeitern, die an Modernisierung und Automatisierung interessiert sind, umzusetzen. Wichtig ist, dass man rasch die ersten Kunden erfolgreich in die digitale Welt einführt. Ist das geschafft, werden viele Mandanten folgen – allen voran moderne Jungunternehmer und auch österreichweit bzw. international agierende Unternehmen.
Digitale Buchführung, digitale Zukunft
Aktuell bieten die meisten Softwarehersteller gute Möglichkeiten, die Beleg- und Bankdaten aus Schnittstellen einzuspielen. Momentan stellt vielleicht die Datenbeschaffung etwa von Banken noch eine gewisse Schwierigkeit dar. Hinzu kommt, dass es für einige Mandanten noch eine Überwindung bedeutet, dem Steuerberater eine Bankeinsichtsberechtigung und damit die Erlaubnis zu geben, die Bankdateien herunterzuladen. Alles in allem sind diese Anfangsschwierigkeiten jedoch überwindbare Hürden. Eine interessante Alternative stellt der Import der Bankdaten über eine PSD2-Authentifizierung da. Wird das Thema vom Steuerberater erst einmal angefasst und den Mandanten der Nutzen aus der digitalen Buchführung vermittelt, steht der Umstellung nichts mehr im Wege. Im Gegenteil: Mit dem Sprung in die digitale Zukunft kann sich der Steuerberater spezialisieren, eine Marke aufbauen und den Markt besetzen. Je früher man mit der Umsetzung beginnt, umso früher hat man einen Vorteil – auch gegenüber anderen Berufsgruppen, welche am Buchhaltungsmarkt in Konkurrenz zum Steuerberater auftreten. Der frühe Vogel fängt bekanntlich den Wurm.
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