PORTRÄT. Siegfried Manhal leitet seit Anfang des Jahres das Finanzamt Österreich. Von Linz aus werden österreichweit Prozesse modernisiert. Die Corona-Pandemie hat diese Aufgabe nicht gerade einfacher gemacht. Von Karin Pollack
Mitunter können Zahlen eine aktuelle Situation recht gut auf den Punkt bringen. Dass es bei der Überprüfung der Familienbeihilfe gelingen könnte, 230.000 Einzelfälle pro Monat zu schaffen, hatte Siegfried Manhal niemals im Sinn. Bei der Umstrukturierung der Finanzverwaltung, an der er seit vielen Jahren aktiv beteiligt ist, hatte man 30.000 Bearbeitungen pro Monat geplant. „Unser Team leistet gerade Gewaltiges“, sagt er und meint die Überprüfungen zur Anspruchsberechtigung der Familienbeihilfe, die in der Corona- Pandemie ausgesetzt waren. Zwar gebe es ein gutes Software- Programm dafür, doch die personellen Ressourcen für die Beantwortung von vielen telefonischen Rückfragen reichen kaum aus. „Derzeit bin ich Trouble-Shooter“, sagt Manhal deshalb und schichtet nahezu täglich personelle Ressourcen um. Er erweitert das Team dort, wo die größten Engpässe sind, nimmt Leute auf und hält engen Kontakt zu Sektionschefin Angelika Schätz, die für die Modernisierung der Finanzverwaltung im Ministerium zuständig ist.
So können Engpässe ausgeglichen werden.
Die Umstrukturierung der Finanzverwaltung ist ein Mega- Projekt, das Siegfried Manhal seit vielen Jahren aktiv mitgestaltet. Seit 1. Jänner 2021 gibt es nicht mehr 40 Finanzämter und neun Zollämter in Österreich, sondern nur mehr fünf zentrale Zuständigkeiten. Aufgaben- und Organisationseinheiten wurden umgeschichtet, und Manhals 6.200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen sich an andere Abläufe bei der Abarbeitung von Steuerangelegenheiten gewöhnen. Die größte Neuerung ist die bundesweite Zuständigkeit des nunmehr einzigen Finanzamt Österreichs, das von 32 Dienststellen unterstützt wird. „Eine Finanzbeamtin im Waldviertel kann jetzt auch eine Arbeitnehmerveranlagung in Vorarlberg bearbeiten“, bringt es Manhal auf den Punkt. Auf diese Weise soll die Erledigungsdauer von Anträgen bundesweit einheitlich werden und können Engpässe ausgeglichen werden. „Es ist eine gerechtere Arbeitsverteilung und gibt uns die Möglichkeit, hochspezialisierte Teams für Detailfragen aufzubauen.“
Ebenfalls wichtig, weil serviceorientiert: Klein- und Mittelbetriebe können künftig ihre Steuernummer behalten, wenn sie ihren Betriebssitz in einen anderen Dienststellenbereich verlegen. Klingt einfach, war aber eine Mega-Aufgabe, weil Software-Systeme aufeinander abgestimmt werden mussten. Worauf Manhal stolz ist: „Bei der Digitalisierung ist die österreichische Finanzverwaltung seit 20 Jahren Vorreiter, um unsere Systeme beneiden uns tatsächlich viele“, kann er von einem Treffen mit deutschen Kollegen berichten. Siegfried Manhal ist ein alter Hase, ein Augenzeuge der Digitalisierung. Geboren 1962 und aufgewachsen in Linz, trat er 1988 in die Finanzverwaltung ein. „Als ich begonnen habe, wurde noch mit Rechenmaschinen und Karteikarten gearbeitet“, erinnert er sich. Warum er in der Finanzverwaltung begann, hat drei Gründe. Zum einen: Seit seinem zwölften Lebensjahr interessierte sich Manhal für Wirtschaft, las regelmäßig den „Trend“ und entschied sich nach der Matura für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Sein Hauptinteresse lag im Steuerrecht, „und es war bekannt, dass die Finanzverwaltung eine hervorragende Ausbildung anbietet“, erinnerte er sich. Und tatsächlich: Es gefiel Manhal so gut, dass er von seinem Plan, in die Steuerberatung zu wechseln, abkam. „Zudem bin ich auch schon immer ein Gerechtigkeitsfanatiker“, sagt er. Für seinen Aufgabenbereich der Betriebsprüfung war das eine gute Voraussetzung. Sein Werdegang spiegelt auch die Entwicklung der Finanzverwaltung. Er leitete zwei Finanzämter in Oberösterreich, übernahm 2009 die Finanzverwaltung „Region Mitte“ und ist nun für ganz Österreich verantwortlich.
Als „alter Sportler“ hat er einen langen Atem.
Als „alter Sportler“, wie er sich selbst nennt, hat er einen langen Atem. Er ist insgesamt 57 Marathons gelaufen, hat seine Frau bei einem Laufwettbewerb kennengelernt und mit ihr gemeinsam einen Ironman-Triathlon absolviert. Laufen, Fahrradfahren und Schwimmen bestimmen nicht nur sein eigenes Privatleben, sondern auch das seiner Frau und seiner drei Kinder im Alter von elf, zehn und acht Jahren. „Sie sind so wie meine Frau hervorragende Schwimmer, ich fahre lieber Rad“, sagt er. Was ihn sehr amüsiert: „Wir sind sicherlich die Familie mit den meisten Sportschuhen in Österreich“, verrät er, und auch, dass sein Fahrrad im Wohnzimmer geparkt ist. Manhal ist gespannt, wie sich der Herbst entwickeln wird und ob das Homeoffice bleiben wird müssen. „Die Corona- Pandemie könnte für uns auch eine Chance sein“, hofft er und meint den Umstand, dass die neuen Strukturen sehr gut für ortsunabhängiges Arbeiten und Tele-Working ausgelegt sind. Zudem kann er auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus ländlichen Regionen anwerben und seine Mannschaft erweitern. „Wenn ich eines Tages in Pension gehe, dann will ich das Gefühl haben, dass mir und meinem Team etwas Gutes gelungen ist.“
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