Seitenbereiche

Ausgabe 02/2022

Pragmatisch, aber engagiert

FINANZSTRAFGESETZ. Wer zum ersten Mal die Verteidigung bei einer Spruchsenatsverhandlung übernimmt, sollte einige Empfehlungen beachten. Von Klaus Hübner

Die Hauptarbeit einer Verteidigung findet im Vorfeld statt. Dazu gehören Rechtfertigung und Akteneinsicht. Erst damit entsteht die „Parität des Wissens“ und „Waffengleichheit“. Die Initiative muss von der Verteidigung ausgehen, der Antrag ist formlos. Erst dann können wir Mandant:innen über eine sinnvolle Verantwortung beraten und die wichtigste Verteidigeraufgabe angehen: Fragen vorauszudenken, die aufgrund des Verfahrensstandes vom Senat und auch von Finanzstrafreferent:innen zu erwarten sind.
Weicht die Stellungnahme des Finanzstrafreferenten der Rechtfertigung im Untersuchungsverfahren ab, verfassen Sie eine Replik auf diese Stellungnahme. Auch Richter:innen möchten im Vorfeld wissen, wohin die Reise aus Sicht der Verteidigung gehen soll. Insbesondere wenn die Schuldfrage strittig ist. Die Beratung wird maßgeblich von der Persönlichkeit des Beschuldigten, der Beschuldigten abhängen: Intelligenz, Bildung, Nervenstärke, Auftritt und Ausdrucksfähigkeit sind wesentlich für das Konzept der Verteidigung. Das Verteidigungsziel kann entweder im Erreichen der Verfahrenseinstellung liegen oder darin, eine möglichst niedrige Strafe zu erreichen. In diesem Fall geht es um das Herausarbeiten aller Milderungsgründe.
Eine Strategie, die nur darauf aufbaut, dass „ein Vorsatz sowieso nicht nachgewiesen werden kann“, ist blauäugig und überschätzt die Anforderungen, die an das Vorliegen von Vorsatz gestellt werden. Und nur mit Schweigen allein wird man ein Gericht bei realitätsnahen Verdachtsmomenten nicht von der Unschuld überzeugen können. Wenn der Spruchsenat Gründe anführt, die auch andere lebenserfahrene und verantwortungsbewusste Menschen aufgrund von Umständen vom Vorliegen von Schuld überzeugen können, dann kann der Spruchsenat den Beschuldigten bestrafen, auch wenn die vorliegenden Beweise nicht unbedingt zwingend eine Täterschaft beweisen. Die freie Beweiswürdigung von Indizien eröffnet hierzu den Weg.
Wichtig für Mandant:innen zu wissen: Der Verhandlungsablauf, wer ist aller dabei? Der Verhandlungsraum, wer sitzt wo? Wie lange wird es dauern? Wie spreche ich den Vorsitz an? Welche Fragen werden mir gestellt werden? Was muss ich wann sagen? Wenn im Vorfeld bei einer Schätzung der strafbestimmende Wertbetrag noch undifferenziert ist, sollte der Versuch unternommen werden, abzustecken, ob eine teilweise Außerstreitstellung möglich ist. Bei einer Verhandlung erstmals zu behaupten, „dass die Schätzung nicht stimmt“, wird selten von Erfolg gekrönt sein.

Wer ist aller anwesend?
Gelandene Mandant:innen müssen persönlich zur Verhandlung erscheinen. Manchmal kommt es zu einem Verzicht, überwiegend da, wo es nur um die Strafbemessung geht, weil zuvor schon eine geständige Verantwortung erfolgte. Eine Vertagung ohne Krankheitsattest zu erreichen, wird nur in Ausnahmefällen möglich sein. Bei Nichterscheinen wird in Abwesenheit entschieden. Wenn nur die Verteidigung verhindert ist, wird auch dies nur selten zu einer Vertagung führen. Im Verhandlungsraum befinden sich neben dem dreiköpfigen Senat nur noch jemand für die Schriftführung und der Amtsbeauftragte des ABB. Selten gibt es auch Zuhörer:innen. Es handelt sich dabei fast immer um Finanzbeamt:innen in Ausbildung. Herzstück der in etwa 25-minütigen Verhandlung ist die Beschuldigtenbefragung. Schlussendlich ist die Verteidigung am Zug. Bei Fragen ohne Aufklärung zum Sachverhalt riskieren Sie, dass der Senat ungehalten werden könnte. Im „künstlichen Strapazieren“ des Fragerechts liegt also kein Vorteil. Als Verteidigung sollten Sie sich an die Ordnung halten, Zwischenfragen oder -rufe im Zweifel unterlassen. Mandant:innen müssen wissen, dass bei deren Anwesenheit nur sie selbst Fragen antworten müssen und nicht die Verteidigung.
Sobald die Beschuldigteneinvernahme abgeschlossen ist, kann es zur Zeugenbefragung kommen. Wer als Zeuge geladen wurde, können Sie dem Akt entnehmen. Ein erst jetzt beantragter Zeuge kann auch „mitgenommen“ werden, dies sollte aber angekündigt werden. Angriffe der Verteidigung gegen Amtsbeauftragte sind unangebracht. An den Schlussvortrag des Amtsbeauftragten schließt sich das Schlusswort des Beschuldigten bzw. das Plädoyer der Verteidigung an. Hier gelten die Methoden moderner Redetechnik: Zuhörer:innen ansprechen, keine langatmigen Ausführungen, die Ausdrucksweise darf lebendig sein, langsam sprechen. De
r Vorsitzende verkündet den Schluss, die Beratung des Spruchsenats beginnt. Amtsbeauftragte, Verteidigung und Beschuldigte verlassen bis zum Aufruf zum Eintreten den Verhandlungsraum. Nach meist nur wenige Minuten verkündet der Vorsitzende das Erkenntnis. Ich spreche mich für eine kultivierte, pragmatische, aber engagierte Verteidigung aus: Engagiertes Eintreten für das Recht, kein Operieren mit aussichtslosen Anträgen, kein polemisches oder aggressives Auftreten.

Erscheinungsdatum:

Mit diesem QR-Code gelangen Sie schnell und einfach auf diese Seite
Mit diesem QR-Code gelangen Sie schnell und einfach auf diese Seite

Scannen Sie ganz einfach mit einem QR-Code-Reader auf Ihrem Smartphone die Code-Grafik links und schon gelangen Sie zum gewünschten Bereich auf unserer Homepage.