Verfahrensrecht. Jüngst machte der VwGH den sogenannten „Duobescheiden“ den Garaus.
Wird bei einer Mitunternehmerschaft bei einzelnen Gesellschaftern oder Miteigentümern deren Beteiligung an den gemeinschaftlichen Einkünften von der Finanzbehörde aberkannt, so stand das BMF bislang auf dem Standpunkt, dass ein auf § 92 Abs 1 lit b BAO (Feststellung abgabenrechtlich bedeutsamer Tatsachen) gestützter Feststellungsbescheid zu erlassen sei. Dieser Bescheid (im Fachjargon als „Duobescheid“ bezeichnet) sollte nach Ansicht des BMF zugleich an den oder die betreffenden Gesellschafter (Miteigentümer) und die Gesellschaft (Miteigentumsgemeinschaft) ergehen. Die Finanzbehörden sind – soweit ersichtlich – dieser Rechtsansicht in der Praxis bislang gefolgt.
Einheitlichkeit als Merkmal
Nunmehr hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 5.9.2012, 2011/15/0024, festgestellt, dass ein Bescheid, mit dem ausgesprochen wird, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften unterbleibe, ein Grundlagenbescheid i.S.d. § 188 BAO sei. Die Einheitlichkeit als Wesensmerkmal des Feststellungsbescheids nach § 188 BAO gelte somit auch für den Bescheid, mit dem ausgesprochen werde, dass eine Feststellung nicht zu erfolgen habe. Soweit eine Personengesellschaft unter Benennung ihrer Gesellschafter dem Finanzamt gegenüber mit dem Begehren auf bescheidmäßige Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO auftrete, müsse die bescheidmäßige Erledigung gegenüber diesen Rechtssubjekten einheitlich ergehen. Ein nicht an alle diese Rechtssubjekte gerichteter Bescheid solchen Inhalts bleibe wirkungslos. Mit dieser Entscheidung hat der VwGH den sogenannten „Duobescheid“ sang- und klaglos zu Grabe getragen. Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass alle in der Vergangenheit von den Finanzbehörden erlassenen „Duobescheide“ keine Rechtswirksamkeit erlangt haben. Die „Duobescheide“ galten nach Ansicht des BMF als Grundlagenbescheide auch für die abgeleiteten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerverfahren der Mitunternehmer bzw. Miteigentümer. Wenn in den Einkommen- bzw Körperschaftsteuerverfahren der Mitunternehmer bzw Miteigentümer das jeweilige Verfahren nach Ergehen der gem § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Bescheide mittels Berufung offengehalten wurde, ist alles in Ordnung. Den Berufungen gegen die abgeleiteten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheide ist stattzugeben, weil nunmehr hervorgekommen ist, dass die abgeleitete Änderung nach § 295 Abs. 1 BAO auf einem Nichtbescheid basiert hat. Sind die nach § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommen- bzw. Körperschafsteuerbescheide hingegen in Rechtskraft erwachsen, stellt sich die Frage nach der Behebung des rechtswidrigen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheids. Dafür steht den Abgabepflichtigen seit dem AbgÄG 2011 die neue Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO zur Verfügung.
Die auf einen Nichtbescheid gestützten Änderungsbescheide nach § 295 Abs. 1 BAO sind auf Antrag der Partei aufzuheben. Der entsprechende Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen. Die Frist des § 304 BAO ist – derzeit noch – nach lit b mit fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheids relativ großzügig bemessen.Trotzdem kann es in der Praxis zu Fallkonstellationen kommen, in denen der maßgebende Einkommensteuerbescheid bereits mehr als fünf Jahre vor der Feststellung der Nichtbescheidqualität des vermeintlichen Feststellungsbescheids ergangen ist. In diesem Fall hilft nur mehr eine Berufung auf eine aktuelle Judikatur des VwGH zum Wesen des Feststellungsverfahrens nach § 188 BAO. Dieser Judikatur zufolge wird durch das Feststellungsverfahren nach §188 BAO nur ein Ausschnitt der Einkommensteuer-Verfahren der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren bündelt und zusammengezogen. Bei dieser Sichtweise des Feststellungsverfahrens nach § 188 BAO wäre der das Einkommensteuerverfahren des Beteiligten abschließende Bescheid nach § 304 lit b BAO erst jener, in dem die Nichtbescheidqualität des vermeintlichen Feststellungsbescheids festgestellt wird (weiterführend der Beitrag von Keppert/ Koss, Der „das Verfahren abschließende Bescheid“ i.S.d. § 295 Abs. 4 iVm 304 BAO, SWK 2013 in Druck). Sehr bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Novellierung des § 304 BAO durch das FVwGG 2012 mit Wirkung ab dem 1.1.2014 der erst mit 1.9.2011 eingeführte § 295 Abs. 4 BAO praktisch wieder entsorgt wird. Daher ist an den Gesetzgeber zu appellieren, die bestehende Rechtslage in § 304 BAO über den 1.1.2014 hinaus zu prolongieren.
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