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Ausgabe 03/2017

Die Leiden der jungen Steuerberater

Karriere. Führung ohne strukturelle Voraussetzungen ist nicht möglich. Über die Herausforderungen von „jungen“ Führungskräften. Von Stefan Lami

In meiner Beratungsarbeit habe ich auffallend häufig mit Kanzleien zu tun, die in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen sind. Mehr Klienten, mehr Arbeit und wesentlich mehr Mitarbeiter sind die natürlichen Konsequenzen dieser Erfolgsgeschichten. Die Etablierung einer zweiten Führungsebene ist notwendig, um die täglichen Herausforderungen bewältigen zu können. Was dabei von den Inhabern/Partnern oft versäumt wird, ist die zeitgleiche strukturelle Entwicklung der Kanzlei.

Ober sticht Unter

Was Kartenspielern zum Gewinnen hilft, führt leider im Spiel um Mitarbeiter und deren Leistung so gut wie immer zu Einbußen. Kanzleiinhaber sind es gewohnt, einfach auf Mitarbeiter jederzeit zugreifen zu können. Dagegen ist eigentlich auch nichts einzuwenden, es sei denn, Aufgaben und Verantwortung sind mit der Einführung einer zweiten Führungsebene ganz klar an einen Teamleiter übergeben worden. Eine derartige Vorgehensweise wirft jegliche Arbeitsplanung über den Haufen. Der Teamleiter kann sich nur übergangen fühlen. Noch drastischer wird es, wenn übergeordnete Chefs Entscheidungen kritisieren, umwerfen oder gar wieder rückgängig machen oder der Weg der Teammitglieder bei Problemen am Teamleiter vorbei direkt zum Chef führt. Die Fachliteratur spricht von „drübersteuern“. Was harmlos klingt, auch aus keinerlei bösartiger Absicht passiert, führt langfristig zur Zerstörung des Führungssystems und letztendlich landet die Führungsarbeit genau da, wo schon vorher zu wenig Ressourcen waren – wieder bei den Chefs. Führungsarbeit auf Teamleiterebene kann nur geleistet werden, wenn die strukturellen Voraussetzungen geschaffen und respektiert werden. Dazu gehört, dass sich eine Kultur, WIE und von WEM WELCHE Entscheidungen in Kanzleien getroffen werden, etabliert und an die jeweils betroffene Ebene kommuniziert wird.

Ich zuerst!

Ein Team innerhalb einer Kanzlei zu leiten, bedeutet per se schon, vielem und vielen gerecht zu werden. Der Personenkreis ist groß, wenn man bedenkt, dass es Klienten zufriedenzustellen gilt, den Teammitgliedern eine gute Führungsperson zu sein und den Anforderungen der Kanzleileitung gerecht zu werden. Ein buntes Portfolio an Ansprüchen und Erwartungen, dessen sich junge Führungskräfte durchaus bewusst sind. Überbordend wird es allerdings speziell in Partnerkanzleien. Häufig haben die Partner in unterschiedlichen Aufgabenbereichen Verantwortung. Diese Bereiche lassen sich zwar theoretisch klar voneinander abgrenzen. In der täglichen Arbeit in der Kanzlei kommt es aber immer wieder zu Überschneidungen, Einmischungen oder gar Konflikten. Nur in sehr sorgfältig organisierten Partnerschaften schaffen es die Partner, die Zuständigkeitsbereiche sauber getrennt zu halten. Menschlich dabei ist, dass die Partner wiederum ihre jeweilige Führungsverantwortung (sehr) unterschiedlich wahrnehmen. Jeder hat womöglich andere Ansprüche an die Zusammenarbeit und die Art und Weise wie Aufgaben erfüllt werden sollen. Die Folgen daraus liegen auf der Hand:

  • Die junge Führungskraft ist in ihrer Leistungserbringung zerrissen
  • Unsicherheit bei Entscheidungsklärung: Wer entscheidet was?
  • Führungsstärke wird schwer zu entwickeln sein: Wer gibt mir Feedback zu meiner Leistung? Bekomme ich überhaupt welches?
  • Wer trägt die Verantwortung wofür?
  • Orientierung bleibt eine ständige Frage: Wem bin ich verpflichtet? Der Diener mehrerer Herren zu sein, führt langfristig weit weniger zum Erfolg als eigentlich von allen erhofft.

Die Work-Life-Bereiche als (nicht) bestimmender Faktor

Unbestritten sind in der Steuerberaterbranche Frauen die zahlenmäßig dominierende Personengruppe, mit all den viel besprochenen Vorzügen und eben auch Einschränkungen. Viele Mitarbeiterinnen sind zusätzlich zu ihrer Berufstätigkeit für Haushalt und Familie verantwortlich. Sie arbeiten in den unterschiedlichsten Teilzeitmodellen oder haben Heimarbeitsplätze. In Teams mit einem geringen Anteil von Vollzeitbeschäftigten wird manchmal schon das Organisieren eines Team-Meetings zur logistischen Herausforderung. Führungsarbeit ist aber unabdinglich an die Möglichkeit zur Kommunikation gebunden. Bei strukturellen Gegebenheiten, die dies nur bedingt möglich machen, wird Führung nur bei hoher Selbstverantwortung aller Beteiligten wirksam. Sonst ist es oft entspannter, von Koordination oder Verwaltung – und nicht Führung – zu sprechen. Erst eine Mindestbindung an die Kanzlei, bei einer ausreichenden Zahl an Vollbeschäftigten, macht Ansprüche an die jungen Führungskräfte nicht zu wahnwitzigen Forderungen. Auch hier ist strukturelle Gestaltung mehr als gefragt, bevor engagierte Leute die Motivation verlieren.

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