PORTRÄT. Christa Lattner ist seit 37 Jahren in der Finanzverwaltung tätig, seit 1984 im Ministerium – das Steuerrecht kennt sie aus vielen Blickwinkeln, privat ist sie Abenteurerin. Von Karin Pollack
Im Bundesfinanzministerium in der Johannesgasse ist Feierabend. Das merkt man an den vielen Anzugträgern, die auf die Gasse strömen. Es ist EU-Ratspräsidentschaft, die Budgetkommission hat den ganzen Tag getagt und in der einbrechenden Dunkelheit werden in sämtlichen Sprachen die Abendpläne besprochen. Christa Lattner, Leiterin der Gruppe Steuerrecht, wird um halb acht noch ein bisschen arbeiten, „etwas fertig machen“, nennt sie es und man hat den Eindruck, die kleine zierliche Frau freut sich darauf. Sie ist seit 37 Jahren Steuerexpertin. „Seit meiner Studienzeit wusste ich, dass ich in die Finanzverwaltung will“, sagt sie strahlend, weil sie schon immer Zahlen liebte. Christa Lattner wurde am 25. Juni 1957 als Tochter einer Bludenzer Ärztefamilie geboren und wuchs in Vorarlberg auf. „Mathematik war schon in der Volksschule mein Lieblingsfach“, erzählt sie, allerdings durften Mädchen im Vorarlberg der 1960er-Jahre noch kein Realgymnasium besuchen. Warum das wichtig ist? Weil die exzellente Mathematikschülerin nach der Matura eigentlich technische Mathematik studieren wollte, aber nicht konnte, weil ihr die Grundlagen in darstellender Geometrie fehlten. „Jus in Innsbruck war insofern eine pragmatische Entscheidung“, sagt sie. Ihre liebsten Fächer wurden Verwaltungs- und Verfassungsrecht. Peter Pernthaler, ihr Professor, bot ihr eine Assistentenstelle an. „Es war ein Jahr lang juristische Begründungen als Fußnoten schreiben“, erinnert sie sich, damals habe sie juristisches Argumentieren gelernt. Als 1981 eine Stelle am Finanzamt in Linz frei wurde, ergriff Christa Lattner ihre Chance, „es war wirklich von Anfang an das Gefühl, dass ich jetzt dort angekommen bin, wo ich hinwollte“, sagt sie. Ende 1984 wechselte sie nach Wien ins Finanzministerium, wo sie im Bundessteuerinspektorat in der Betriebsprüfung begann. Ihre Karriere innerhalb der Finanz ist lang („Hartwig Löger ist mein 14. Minister“) und abwechslungsreich („ich hatte innerhalb der Finanzverwaltung immer wieder Optionen, das Ministerium ist da wirklich ein toller Arbeitgeber, muss ich sagen“). Im Zuge ihrer Karriere hat sie sich mit Betriebsprüfung, Steuerpolitik, Legistik im Allgemeinen und mit Immobilien, Liebhaberei und Lohnsteuer im Speziellen beschäftigt. Seit 2012 leitet sie die Abteilung für Gebühren und Verkehrsteuern, seit 2013 die Gruppe Steuerrecht. Sie ist für rund 40 Mitarbeiter verantwortlich. „Ich bin Gern- und Vielarbeiterin“, lacht sie und weiß, dass sie „sehr penibel und tendenziell ungeduldig“ ist. Was ihr wichtig ist? „Profundes Wissen“, so wie es ihr einst Peter Quantschnigg, ihr Vorgesetzter in der 1990er-Jahren vorlebte, einerseits und andererseits aber „ein lebendiger und dialogischer Austausch mit Kolleginnen und Kollegen“; diese Unternehmenskultur hat sie vom ehemaligen Sektionschef Heinrich Treer übernommen. Eines der größten Projekte in Lattners Laufbahn war die Umstellung auf den Euro, „eine Riesensache“, sagt sie, die sie damals zu jedem Zeitpunkt bis in die letzte buchhalterische Auswirkung überblickte und über die sie dann auch Artikel und Handbücher für die Anwendung in der Praxis mitverfasste. Wenn Christa Lattner über ihr Leben erzählt, klingt das alles nicht nur logisch, sondern vor allem gut geplant. Mit 35 Jahren wurde sie Mutter einer Tochter, sie habe sich bewusst für das Alleinerziehen entschieden, denn überhaupt sei sie ein Mensch, der selten Begleitung braucht. „Wenn ich ins Konzert gehe, kaufe ich mir ein Ticket und würde nie zuerst daran denken, wer mit mir gehen will“, zieht sie einen Vergleich. Zudem habe sie einen sehr speziellen Musikgeschmack, sagt sie, mag zeitgenössische Musik, Benjamin Britten zum Beispiel oder Opern von Hans Werner Henze, „das geht ohne Umweg direkt ins Hirn“, sagt sie. Apropos Hirn: In den letzten zwei Jahren hat Christa Lattner an der Donau-Uni Krems „Interreligiösen Dialog“ studiert, ihr Urlaub geht dieses Jahr für die Masterarbeit drauf. Wenn sie fertig ist, möchte sie auch praktische Erfahrung sammeln, in Jerusalem zum Beispiel, das stellt sie sich herausfordernd vor. Der wichtigste Mensch in ihrem Leben ist aber sicher ihre Tochter Kerstin, die seit neun Jahren in England lebt. „Wir reden mindestens ein Mal am Tag auf WhatsApp“, sagt sie und manchmal fahren die beiden auch noch gemeinsam im beigefarbenen VW-Bus („Auf meinen California Ocean bin ich wirklich stolz“) auf große Reisen. Unterwegs im Norden Europas: Da fühlt sich Christa Lattner richtig frei.
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