PERSPEKTIVE. Die Jobkarenz ist kein einfaches Thema, wir haben zwei junge Eltern gefragt, die sie bereits hinter sich haben. Zwei Beiträge aus weiblicher und männlicher Perspektive.
IHRE SICHT
Ich bin schon seit vielen Jahren dem Beruf Steuerberaterin verfallen. Doch seit einigen Jahren bin ich auch leidenschaftliche Mutter von drei Kindern im Alter von eineinhalb bis sieben Jahren. Es erfordert viel Ausdauer und gute Organisation, um beides unter einen Hut zu bekommen. Doch die Freude an beiden Rollen, die Unterstützung meines Mannes und meines Arbeitgebers helfen mir, den Alltag zu meistern. Schon während meiner ersten Schwangerschaft entschied ich mich dazu, so schnell wie möglich wieder in das Berufsleben zurückzukehren, denn immerhin habe ich jahrelang auf mein Berufsziel Steuerberaterin hingearbeitet. Ein rascher Wiedereinstieg hat sich auch bei den weiteren Schwangerschaften bewährt, um die laufenden steuerlichen Änderungen und die Entwicklungen der Mandant:innen im Blick zu behalten, aber auch, um in Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen zu bleiben. Aus diesem Grund vereinbarte ich mit meinem Arbeitgeber, bereits während der Karenz einer geringfügigen Beschäftigung im Home-Office nachzugehen. Compliance-Tätigkeiten (wie z.B. Steuererklärungen, laufende Meldungen) und die Beantwortung von nicht zeitkritischen Anfragen bieten sich hierfür an. Ich habe die Schlafenszeiten meiner Kinder bzw die Zeiten, in denen sie sich selbst beschäftigt haben, dazu genutzt, meine Arbeit zu erledigen. Ich habe hierbei täglich überprüft, welche Arbeiten mit welcher Dringlichkeit zu erledigen sind, und dementsprechend die To-dos abgearbeitet. Unser Beruf ermöglicht uns hier eine flexible Arbeitszeit, die mit den Kinder- und Familienbedürfnissen gut vereinbar ist. Ebenso ermöglicht uns die Digitalisierung unserer Arbeitsinfrastruktur das Arbeiten von fast überall. Wichtig ist es, sich rechtzeitig um einen Kinderbetreuungsplatz (Tagesmutter, Kinderkrippe oder Kindergarten) zu kümmern. Dies erleichtert die Planung, ab wann und in welchem Stundenausmaß die Rückkehr ins Berufsleben realistisch ist. Mir war und ist nach wie vor bewusst, dass ein Vollzeitjob neben der Betreuung meiner Kinder in diesem Alter für mich vorerst nicht in Frage kommt. So bin ich, stets nachdem meine Kleinen bei der Tagesmutter eingewöhnt waren, von der geringfügigen Beschäftigung in die Elternteilzeit gewechselt. Mein Arbeitgeber bietet Frauen und Männern nach der Karenz einen kinderfreundlichen Wiedereinstieg (u.a. gesetzliche Elternteilzeit, Voll- oder Teilzeit, geringfügige Beschäftigung während der Karenz, flexible Arbeitszeiten). Gemeinsam mit meiner Chefin konzipierten wir ein Arbeitsmodell, welches sowohl für mich als auch für sie vorstellbar und auch realisierbar ist. Eine klare Definition meines Aufgabengebietes mit der Zuordnung konkreter Mandantenverantwortlichkeiten ermöglicht mir, meinen Beruf als Senior Managerin wie vor der Karenz weiter auszuüben und meiner Berufung, Mutter zu sein, nachzukommen. Ich kann nur sagen, dass sich diese Vorgehensweise bei allen drei Karenzzeiten als optimal gezeigt hat. Zuletzt möchte ich auch noch berichten, dass es gute, aber auch nicht so gute Tage gibt. Manchmal hat man das Gefühl, weder der einen noch der anderen Rolle gerecht zu werden. Und es sind oft Tage dabei, an denen man sich unheimlich auf die Nachtruhe freut. Aber hinter den größten Anstrengungen warten die größten Wunder.
SEINE SICHT
Die Frage, wie man Job und Kinder miteinander vereinen kann, stellen sich sehr viele berufstätige Eltern, quer durch alle Branchen und Positionen. Insbesondere im Berufsfeld der Steuerberatung ist diese Frage, denke ich, immer noch eine sehr gegenwärtige. Ich bin Vater von zwei Kindern (fünf und zwei Jahre) und stelle mir diese Frage selbst immer wieder einmal – jedoch immer mit demselben Fazit – es funktioniert. Ich bin Steuerberater in einer mittelständischen Kanzlei mit ca. 20 Mitarbeiter:innen am Stadtrand von Wien. Ich hatte die Möglichkeit, nach den Geburten meiner beiden Kinder sowohl den Familienzeitbonus in Anspruch zu nehmen als auch jeweils eine 2-monatige Väterkarenz. Der erste Familienzeitbonus war im August 2017. Die erste Väterkarenz war von Juni bis Juli 2018. Beide Auszeiten waren für mich anfangs eine Medaille mit zwei Seiten. Auf der einen Seite herrschte riesige Freude über den Nachwuchs und die bevorstehende Zeit mit der vergrößerten Familie. Auf der anderen Seite gab es auch eine gewisse Unsicherheit, wie zum einen die Klienten darauf reagieren würden und wie zum anderen auch die Kolleginnen und Kollegen mit der Situation umgehen würden, dass sie doch die ein oder andere dringende Arbeit während meiner Abwesenheit übernehmen müssen. Sehr schnell stellte sich allerdings heraus, dass sowohl die Klient:innen zum allergrößten Teil Verständnis hatten und sehr viele sogar meine Väterkarenz befürworteten, als auch die Kolleginnen und Kollegen größten Einsatz zeigten, um die nicht aufschiebbaren Arbeiten in meiner Abwesenheit zu erledigen. Bestimmt auch aufgrund dieser Faktoren fiel mir der Wiedereinstieg nach den Abwesenheiten nicht allzu schwer. Selbstverständlich war die Arbeitsbelastung direkt vor und direkt nach der Väterkarenz um einiges höher, aber durchaus bewältigbar. Der zweite Familienzeitbonus (September 2020) und die zweite Väterkarenz (Juli – August 2021) fielen dann bereits in den Zeitraum der Covid19-Pandemie. Ich denke, ich muss nicht erwähnen, unter welcher Arbeitsbelastung unser Berufsstand zu dieser Zeit litt bzw. immer noch leidet. Aus diesem Grund entschied ich mich auch dazu, während meiner zweiten Väterkarenz geringfügig beschäftigt zu bleiben. Dementsprechend konnte ich die dringenden Arbeiten selbst erledigen und musste nicht allzu oft auf die Ressourcen meiner Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen. Ich denke, dass gerade dieses Modell der Väterkarenz mit geringfügiger Beschäftigung für viele Kollegen ein Weg sein kann, die Möglichkeit der Väterkarenz noch mehr in Betracht zu ziehen. Seit meinem Wiedereinstieg nach der ersten Karenz übernehme ich an ein bis zwei Nachmittagen pro Woche die Kinderbetreuung. Mit dementsprechender Organisation, sowohl unternehmensintern als auch im privaten Bereich, ist es durchaus möglich, den eigentlichen Vollzeitberuf des Steuerberaters mit dem definitiven Vollzeitberuf eines Elternteiles zu kombinieren. Gerade dafür kann man aus meiner Sicht die aktuell im Wandel befindliche Arbeitsweise mit Home-Office-Modellen, flexiblen Arbeitszeiten etc. auch in unserem Berufsstand hervorragend nutzen. Auch wenn es jeder Familie selbst überlassen bleiben muss, zu entscheiden, ob der Vater eine Väterkarenz in Anspruch nehmen kann oder möchte, kann ich aus meiner Erfahrung nur weitergeben, dass ich diese Möglichkeit bei jedem weiteren Kind wieder in Anspruch nehmen würde!
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