PORTRÄT. Offenheit ist das Motto, mit dem Peter Unger am Bundesfinanzgericht angetreten ist. Sie spiegelt sich auch in seinem eigenen Werdegang. Von Karin Pollack
Es gibt so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Wer Peter Unger, den Präsidenten des Bundesfinanzgerichts, Mitte Mai besuchte, konnte sich ein Bild davon machen. Auf den Gängen in der Hinteren Zollamtsstraße ist es ruhig, ein großer roter Teppich in Ungers Büro vermittelt Behaglichkeit, noch hat er Zeit für externe Termine. Doch in zwei Wochen beginnen die Hearings. Dann wird Peter Unger mit seinem Team des Personalsenats damit beschäftigt sein, die 16 Besten der über 80 Bewerberinnen und Bewerber für richterliche Planstellen auszusuchen, die all jenen nachfolgen, die heuer im Bundesfinanzgericht (BFG) in Pension gehen.
Neubesetzung läuft
Dass das BFG auch für Juristinnen und Juristen mit Erfahrung in der rechtsberatenden Praxis und nicht nur für die Finanzverwaltung attraktiv werden soll, ist Unger ein Anliegen. Das sei, so Unger, keine neue Idee, sondern schon bei der Gründung des Unabhängigen Finanzsenats vom Gesetzgeber mitbedacht worden. Eine Kombination aus theoretischem Wissen und Erfahrungen in der Praxis sei jedenfalls die ideale Voraussetzung für diesen Job. Bis zu einem gewissen Grad spiegelt dies auch Peter Ungers eigene Karriere wider. Die Affinität zur Steuerberatung ist dem 1979 geborenen Wiener in die Wiege gelegt. Sein Vater hatte eine Steuerberatungskanzlei, in der seine Mutter „die gute Seele“ war. Unger wuchs mit seiner jüngeren Schwester im „damals noch grünen 22. Bezirk“ in einem Haus mit Garten auf. Er ging gerne zur Schule, Latein war im Bernoulli-Gymnasium sein Lieblingsfach. Nach der Matura 1997 inskribierte er Jus und absolvierte parallel das Bundesheer als Sanitäter bei der Militärpolizei. Was er da konkret zu tun hatte? Er begleitete unter anderen die Militärpolizei bei Einsätzen. „Da habe ich viele, sehr unterschiedliche Lebenswirklichkeiten kennengelernt“, sagt er über diese lehrreiche Erfahrung.
Zwischen Kanzlei und Gericht
Nach Beendigung des eigenen Militärdienstes stürzte er sich erneut ins Studium, zumal er nebenbei auch in der elterlichen Kanzlei zu arbeiten begann. Als Michael Tanzer, Professor des Instituts für Steuerrecht am Wiener Juridicum, ihm einen Job als Studienassistent anbot, ergriff er die Chance. Tanzer, den er als väterlichen Freund bezeichnet, führte ihn in die steuerwissenschaftliche Community ein. Seit damals publiziert er regelmäßig in Fachpublikationen. „Das Steuergeheimnis“ war das Thema seiner Dissertation, die er 2006 abschloss. So wie ursprünglich geplant, bedeutete der Abschluss der akademischen Ausbildung gleichzeitig den Einstieg in die Familienkanzlei. Allerdings drehte sich die Situation erneut, als sich nach einem Jahr die Möglichkeit eröffnete, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verwaltungsgerichtshof im Fachbereich Steuerrecht anzufangen. „Eine seltene Chance, eine große Verlockung und die Familie ließ mich ziehen“, sagt er und bereute diesen Entschluss keine Minute. Die Zeit am Verwaltungsgerichtshof war sehr lehrreich und erfüllte all seine Erwartungen. Gleichzeitig stellte sie sich aber auch als Startschuss für seiner Karriere als Richter in der heutigen Finanzgerichtsbarkeit heraus. Vom Verwaltungsgerichtshof wechselte er 2011 zunächst an den Unabhängigen Finanzsenat und 2014 in das neu gegründete Bundesfinanzgericht.
Persönliche Höhepunkte
Nach der Pensionierung von Daniela Moser wurde er Ende 2021 zum Präsidenten des BFG ernannt. „Die praktische Erfahrung in der Kanzlei, die dogmatische und akademische Auseinandersetzung mit dem Steuerrecht und die höchstgerichtliche Erfahrung sind die drei Säulen meines beruflichen Werdegangs“, fasst er zusammen. Peter Unger ist viel beschäftigt. Nur eine einzige Person kann ihn derzeit zu hundert Prozent von seiner Arbeit ablenken. Es ist seine vierjährige Tochter Sophie, die gerade am liebsten Prinzessin ist. Ihre Lust am Verkleiden dürfte sie, vermutet der stolze Vater, von seiner Frau, einer ehemaligen Kostümbildnerin mit Berliner Wurzeln, geerbt haben. Die beiden haben sich vor vielen Jahren nach einer Theatervorstellung kennengelernt. Nach einem großstädtischen Leben im sechsten Bezirk sind sie nun ins Grüne gezogen, „weil das für uns als Familie besser passt“, sagt er, „ich habe nun endlich den Platz für einen kleinen Weinkeller“, fügt er lachend dazu. Peter Unger sammelt nicht nur Weine, sondern auch Bücher, im besonderen Biografien, weil ihn unterschiedliche Lebensgeschichten interessieren. „Es ist erstaunlich, wie vielfältig Umstände in allen Epochen den Verlauf eines Lebens beeinflussen können“, sagt er. Besonders bewundert er all jene Persönlichkeiten, die zu Lebzeiten über den eigenen Tellerrand zu schauen vermochten. Historischen Veränderungen einen Schritt voraus zu sein, sieht er als eine große Gabe. Dass das Leben ständig im Wandel ist, hat er während seiner Karriere am eigenen Leib erlebt. Nun ist es seine Aufgabe als BFG-Präsident, den Generationenwechsel zu bewerkstelligen, um das BFG für die Zukunft personell gut aufzustellen. Zudem gilt es die Digitalisierung voranzutreiben, um die damit verbundenen Chancen für das Bundesfinanzgericht bestmöglich nutzen zu können. Offenheit für alles Neue wird seine Devise bleiben.
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