GRÜNDUNGEN. Wie die Regierung die österreichische Start-up-Szene in Schwung bringen möchte. Katrin Edlinger
Lange Zeit wurden die besonderen Bedürfnisse und Anforderungen von Start-ups und innovativen Unternehmen in Österreich vom Gesetzgeber eher stiefmütterlich behandelt. Mithilfe des gerade in Begutachtung befindlichen Start-up Förderpakets soll der Wirtschaftsstandort Österreich nun auch für junge Unternehmen attraktiver werden.
Maßnahme 1: die 10.000 Euro-GmbH
Im internationalen Vergleich erforderte die Gründung einer GmbH in Österreich mit einem Mindeststammkapital von EUR 35.000,– eine relativ große Startinvestition. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wurde bereits im Jahr 2014 eine sogenannte Gründungsprivilegierung eingeführt. Sofern diese in Anspruch genommen wurde, belief sich das Stammkapital in den ersten zehn Jahren nur auf EUR 10.000,–, wovon zumindest EUR 5.000,– bar bei Gründung auch eingezahlt werden musste. Nach Ablauf dieser zehn Jahre musste das Stammkapital aber auf die gesetzliche Mindesthöhe von EUR 35.000,– angehoben werden. Mit dem neuen GesRÄG 2023 wird das Mindeststammkapital nun dauerhaft auf EUR 10.000,– gesenkt. Diese Erleichterung soll für alle neugegründete Gesellschaften, aber auch für bisher gründungsprivilegierte Gesellschaften gelten, die sich nun eine Erhöhung ihres Stammkapitals ersparen. Durch die Maßnahme werden die Kosten für die Beiziehung eines Notars sinken, weil der Notariatstarif regelmäßig von der Höhe des Stammkapitals abhängt. Auch die Höhe der Mindestkörperschaftsteuer hängt vom Stammkapital ab und sinkt von bisher EUR 1750,– somit auf EUR 500,–.
Maßnahme 2: die flexible Kapitalgesellschaft
Die zweite große Änderung ist die Einführung einer gänzlich neuen Rechtsform, die sich an internationalen Beispielen orientiert. Diese sog. „Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG)“ oder „Flexible Company“ ist als Hybridform zwischen der GmbH und der AG ausgestaltet. Ihre rechtliche Grundlage wird sie im Flexible Kapitalgesellschafts-Gesetz haben. Die neue Rechtsform baut im Wesentlichen auf dem GmbHG auf, aber verfügt vor allem bei den zur Verfügung stehenden Kapitalmaßnahmen über Gestaltungsmöglichkeiten, die bisher AGs vorbehalten waren. Damit eignet sie sich besonders für innovative Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf und viel Wachstumspotenzial. Die FlexKapG unterscheidet sich von der klassischen GmbH in mehreren Punkten. Neben dem reduzierten Mindeststammkapital von EUR 10.000,– beträgt die Mindeststammeinlage der einzelnen Gesellschafter nur noch EUR 1,– anstatt der bisher üblichen EUR 70,–. Da Start-ups oft viel Kapital benötigen, aber Investoren nicht zwangsläufig auch Stimmrechte zukommen sollen, erhält die FlexKapG die Möglichkeit, stimmrechtslose Anteile, sog. „Unternehmenswert-Anteile“, auszugeben. Inhaber solcher Anteile haben zwar Informations- und Teilnahmerechte an der Generalversammlung, sie verfügen jedoch über keine Stimmrechte und kein Anfechtungsrecht von Beschlüssen. Wer über Unternehmenswert-Anteile verfügt, ist grundsätzlich zwingend am Bilanzgewinn und am Liquidationserlös beteiligt. Eine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist nur dann möglich, wenn eine Gleichbehandlung mit den Gründungsgesellschaftern sichergestellt ist. Zudem besteht eine Haftungsbeschränkung auf den Wert der Anteile – ähnlich einem Kommanditisten. Solche UnternehmenswertAnteile können in Höhe von bis zu 25% des Stammkapitals ausgegeben werden, wobei der geringste zulässige Nennbetrag ein Cent beträgt. Ein weiterer Vorteil der Unternehmenswert-Anteile liegt in deren leichter Übertragbarkeit. Die Schriftform ist ausreichend, weshalb beim Verkauf kein Notar hinzugezogen werden muss. Eine Umwandlung der UnternehmenswertAnteile in reguläre Geschäftsanteile ist zudem jederzeit möglich. Aber auch die regulären Gesellschaftsanteile der FlexKapG sollen zwar unter Mitwirkung eines Rechtsanwalts, aber ohne Notariatsakt leichter übertragbar sein. Kommt es zum Exit der Gründungsgesellschafter durch mehrheitlichen Verkauf ihrer Anteile, besteht ein zwingendes Mitverkaufsrecht der Unternehmenswert-Beteiligten. Ganz ohne Verwaltungsaufwand geht es aber doch nicht, denn sämtliche Unternehmenswert-Beteiligten müssen in einem von der Gesellschaft geführten Anteilsbuch erfasst werden. Dem Firmenbuch ist zudem einmal jährlich eine Namensliste der Unternehmenswert-Beteiligten offenzulegen. Auch die Anteilshöhe der Unternehmenswert-Beteiligten muss dem Firmenbuch für den elektronischen Akt vorgelegt werden. Allerdings wird diese Anteilsliste nicht veröffentlicht. Neben diesem neuen Anteilsinstrument profitiert die FlexKapG zudem von der gesetzlich vorgesehenen Teilbarkeit der Geschäftsanteile, der Möglichkeit des Erwerbs eigener Anteile und flexiblen Kapitalmaßnahmen.
Maßnahme 3: die Start-upMitarbeiterbeteiligung
Ein weiteres Problem schnellwachsender Start-ups ist der regelmäßig hohe Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften bei mangelnder Liquidität. Als Lösung wurden Arbeitnehmer:innen bereits bisher oftmals Mitarbeiterbeteiligungen angeboten. Dies hatte nur den Haken, dass solche Mitarbeiterbeteiligungen nach dem bisherigen Steuerregime als geldwerter Vorteil angesehen wurden und bereits im Zeitpunkt der Gewährung zu einer Steuerpflicht für den Arbeitnehmer führten. Im Start-up-Förderungsgesetz ist vorgesehen, dass eine Besteuerung erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile eintreten soll. Um eine komplexe Bewertung der Anteile im Zuflusszeitpunkt zu vermeiden und die Steuererhebung mittels Lohnsteuerabzug zu ermöglichen, wird die Aufteilung der Einkünfte dabei durch eine pauschale gesetzliche Zuordnung ersetzt. Um in den Genuss der Begünstigung zu kommen, müssen allerdings einige taxativ aufgezählte Voraussetzungen erfüllt sein. Primäre Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber einem oder mehreren Arbeitnehmern Kapitalanteile unentgeltlich (maximal zum Nennwert) gewährt und eine betriebliche Begründung und sachliche Rechtfertigung besteht. Der Arbeitnehmer darf zudem zum Zeitpunkt der Ausgabe der Anteile oder davor nicht zu mehr als 10 Prozent am Kapital beteiligt gewesen sein. Das ausgebende Unternehmen muss auch selbst einige Anforderungen erfüllen. Einerseits darf es im Jahresdurchschnitt nicht mehr als hundert Arbeitnehmer:innen beschäftigt haben und die Umsatzerlöse dürfen die Grenze von 40 Millionen Euro nicht übersteigen. Auch die Einbeziehung in einen Konzernabschluss ist für die Begünstigung schädlich. Die Ausgabe der begünstigten Anteile ist weiters nur innerhalb von zehn Jahren nach der Gründung möglich. Als letztes Kriterium muss der Arbeitnehmer ausdrücklich schriftlich bestätigen, dass es sich um eine Startup-Mitarbeiterbeteiligung handeln und die Besteuerung nach dem Regime des neuen § 67a EStG erfolgen soll. Diese Erklärung sowie die Höhe der Beteiligung sind zwingend in das Lohnkonto aufzunehmen. Die Arbeitnehmer:innen und die Arbeitgeber:innen müssen zudem vereinbaren, dass eine Veräußerung oder Übertragung der Anteile nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich ist. Das neue Maßnahmenpaket der Regierung bringt große Erleichterungen für Neugründungen und entspricht definitiv dem Zeitgeist. Ob die Maßnahmen, die überwiegend ab dem Jahr 2024 gelten, die gewünschte Wirkung haben, soll nach einer Fünfjahresfrist evaluiert werden.
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