BAO. Über Beschwerden, Vorlageanträge und Aussetzungsanträge. Von Christian Prodinger
In meinem Artikel „Praktische Tipps bei der Einreichung von Beschwerden“ (siehe ÖGSWissen 1/2023, 20) habe ich auch zur neuen Rechtslage zum Neuerungsverbot und zur Erstattung von Vorbringen Stellung genommen.
Verfahrensförderungspflicht
§ 270 Abs. 2 BAO lautet: „Jede Partei hat ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Verfahrensförderungspflicht)“. Im Zusammenhang mit § 183 Abs. 3 BAO können daher Beweisanträge auch abgelehnt werden. Allerdings ist ein Beweisantrag, der im Vorlageantrag gestellt wird, jedenfalls als rechtzeitig einzustufen. Dies bedeutet also, dass alle Beweise spätestens im Vorlageantrag zu stellen sind.
Nachzahlung und Aussetzungsantrag
Wird nun etwa als Ausfluss einer Außenprüfung ein neuer Bescheid mit einer Nachzahlung erlassen, so ist die Nachzahlung innerhalb einer Frist von einem Monat zu entrichten (§ 210 Abs. 1 BAO). Will man das Ergebnis nicht akzeptieren, wird man eine Beschwerde einreichen. Diese hat nach § 254 BAO keine aufschiebende Wirkung. Nach der Judikatur des VfGH ist es aus Rechtsschutzgründen jedoch notwendig, dem Steuerpflichtigen nicht die sofortige Zahlung zuzumuten. Nach § 212a BAO kann daher ein Aussetzungsantrag gestellt werden. Gegenüber einer Stundung sind die Voraussetzungen auch geringer und in der Regel die Zinsen deutlich niedriger, im Erfolgsfall nicht gegeben. Kann nun die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist eingereicht werden, wird die Verlängerung der Frist nach § 245 Abs. 3 BAO beantragt werden. Dies kann auch mehrfach geschehen, wobei berücksichtigungswürdige Gründe gegeben sein müssen.
Verlängerung der Beschwerdefrist und Aussetzung
Nun tritt aber folgendes Problem auf: Nach § 212a Abs. 2b Z 1 BAO (gültig ab 1.1.2023) ist der Antrag auf Aussetzung zurückzuweisen, wenn keine Beschwerde eingebracht wurde. Damit wollte man verhindern, dass Aussetzungsanträge schon vor der Beschwerde eingebracht werden, insbesondere aber, dass gar keine Beschwerde gemacht wird, aber trotzdem die „günstige“ Aussetzung in Anspruch genommen wird. Ist nun aber die Beschwerdefrist verlängert, wurde eben – nämlich bis zur Fälligkeit der Abgabe – keine Beschwerde eingebracht, sodass der Aussetzungsantrag zurückzuweisen ist. In der Praxis wurden schon Fälle beobachtet, in denen das Finanzamt (man ist versucht zu sagen, überraschend) schnell zurückgewiesen hat. Ein Liegenlassen bis zum Ablauf der verlängerten Beschwerdefrist wäre zwar zulässig, muss aber nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht stattfinden. Ist nach Erhalt der Zurückweisung die Zahlungsfrist schon abgelaufen, löst dies auch einen Säumniszuschlag aus. Es bieten sich mehrere Lösungen an:
- Man kann statt der Aussetzung nur eine Stundung beantragen, muss dann aber die strengeren Voraussetzungen erfüllen und grundsätzlich höhere Zinsen in Kauf nehmen.
- Alternativ kann man auch einen Aussetzungsantrag stellen, wobei als Eventualantrag ein Stundungsantrag gestellt wird. Derartige Eventualanträge sind nach der Judikatur des VwGH wohl zulässig. Man sollte dann aber vorab mit dem Finanzamt telefonisch Kontakt aufnehmen, versichern, dass die Beschwerde jedenfalls eingebracht wird, und um Zuwarten mit der Zurückweisung ersuchen.
- Letztlich kann man auch die Beschwerde mit einfacher Begründung zum Zeitpunkt der Fälligkeit einbringen und die eigentlichen Beweismittel und rechtlichen Argumentationen nachschieben. Das BFG hatte eine solche Vorgangsweise zwar für rechtswidrig erklärt, der VwGH die Entscheidung aber als rechtswidrig aufgehoben. Auch wenn das Nachschieben der Begründung also zulässig ist, wird praktisch doch zu empfehlen sein, zumindest eine bestimmte Teilbegründung in die Beschwerde aufzunehmen, damit wenigstens die formellen Voraussetzungen erfüllt sind.
Fraglich ist nun, was passiert, wenn eine Beschwerde samt Aussetzungsantrag eingereicht wurde, aber mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen wurde. Diesfalls läuft auch die Aussetzung ab, sodass die Abgabe wieder fällig wird. Es stellt sich dann – vordergründig – das gleiche Problem wieder. Nunmehr kann man auch hier die ersten beiden genannten Möglichkeiten versuchen.
Die dritte Möglichkeit nicht tauglich
Allerdings ist leider die dritte Möglichkeit nicht tauglich: Wie eingangs beschrieben, sind ja spätestens im Vorlageantrag alle Beweismittel vorzulegen. Tut man das nicht, kann es sein, dass die Beweise später nicht mehr anerkannt werden. Ein Vorlageantrag ohne Begründung kann daher dazu führen, dass die Beweise nicht anerkannt werden und das Rechtsmittel verloren geht. Eine Verlängerung der Vorlagefrist zwecks Beschaffung von Beweisen führt aber dazu, dass kein Aussetzungsantrag gestellt werden kann bzw. ein solcher zurückgewiesen wird. Die Rechtslage ist also völlig unbefriedigend: Wenn auch verständlich ist, dass der Gesetzgeber Verzögerungen und missbräuchlicher Verwendung von Rechtsmitteln einen Riegel vorschieben will, so kann doch damit der effektive Rechtsschutz nicht auf der Strecke bleiben. Mühen und Kosten Außerdem ist ja § 212a BAO gerade Ausfluss der Judikatur des VfGH und daher verfassungsrechtlich geboten. Die nunmehrige Gesetzeslage führt daher auch zu einer allfälligen neuen Verfassungswidrigkeit. Zwar wird man die Regelung vor dem VfGH anfechten können, muss dann aber die Mühen und Kosten eines langen Verfahrens auf sich nehmen. Im Einzelnen gibt es noch einige Interpretationsschwierigkeiten, die den Rahmen des Beitrages sprengen. Die KSW hat auf meine Anregung hin in der Stellungnahme zum AbgÄndG 2023 auch auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Im AbgÄndG 2023 ist jedoch keine Berücksichtigung erfolgt. Ob und wieweit hier durch den Gesetzgeber und die Finanzverwaltung auf das Problem reagiert wird, bleibt also abzuwarten. Die Problemstellung sollte aber in der täglichen Beratungspraxis bekannt sein.
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