JUNGE ÖGSW. Work-Life-Balance ist ein oft strapaziertes Trendschlagwort. Trotzdem hat es eine Bedeutung, besonders für junge Kollegen. Von Robert Herger
Ohne zu behaupten,
dass
erfahrene Kollegen nicht auch
fleißig sind, ist es wohl ein
Faktum, dass gerade für junge
Kolleginnen und Kollegen der
Weg auf der Karriereleiter nach
oben oftmals außerordentlich zeitintensiv
und kräfteraubend ist. Hinzu kommt, dass
sich bei Berufsanwärtern, Taxmanagern, Juniorpartnern
oder Kanzleigründern die Einkommenssituation
noch bescheiden darstellt und
damit dieser wichtige Motivator noch fehlt.
Wenn dann erschwerend noch zusätzliche
Belastungen wie die Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer,
Hausbau oder Familiengründung
hinzukommen, scheint der Stressfaktor oft unerträglich
hoch.
Das natürliche Bedürfnis nach Arbeit
Dazu ist zunächst ohne Beschönigung anzuführen, dass im
Wirtschaftsleben niemand etwas geschenkt bekommt und
am unteren Ende der Karriereleiter die Opferbereitschaft
naturgemäß
höher sein muss als weiter oben. Oder, um es mit
den Worten meines in der Jungunternehmer-Szene tief vernetzten
Kanzleipartners auszudrücken: „Wer es wissen will,
muss halt auch fleißig sein.“ Dass unser Berufsstand grundsätzlich
nicht dem gesellschaftspolitischen Trend der Freizeitgesellschaft
folgt, für die Arbeit nur Belastung
und lediglich
Freizeit wertvolle Zeit darstellt, soll hier als gegeben betrachtet
werden. In Bezug auf diese Entwicklung sei an dieser Stelle
ein Psychologe aus einem kürzlich erschienenen Artikel
zitiert, der Folgendes ausführt: „An unserem Arbeitsplatz
verbringen wir die meiste Zeit unseres Lebens, mehr als mit
unserem Partner oder in der Familie, mehr als im Bett. Diese
Zeit als ,schlecht‘ oder unfrei, gar als ,Nicht-Lebenszeit‘
zu
deklarieren, ist ein wesentlicher Grund, warum sich immer
mehr Menschen am Abend erschöpft und kaputt fühlen, (…)
Ich behaupte, der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis nach
Arbeit. Er will etwas tun, etwas bewegen
und damit seinem
Leben einen Sinn geben. Und er will zu einer Gemeinschaft
von Menschen gehören, mit denen er gemeinsam etwas
schafft. Das gibt ihm eine innere Befriedigung und damit
Zufriedenheit. (…) Arbeitszeit ist Lebenszeit und ist nicht
als Leidenszeit
gedacht. Es scheint
so, als lehnten viele, die
Arbeit haben, sie ab, und die
meisten, die keine haben, wünschen
sich einen Arbeitsplatz.“ (vgl.
R. Betz, Der Unsinn von der „Work-
Life-Balance“, Focus-Online, 20.12.2013).
Diese zugegeben etwas pointierte Sichtweise
soll keinesfalls bedeuten, dass es richtig sei, sich
endlos zu verausgaben. Sie soll lediglich bedeuten,
dass eine positive Grundeinstellung zum
Berufsleben ein wichtiger Schlüssel zur Zufriedenheit
trotz hohem Arbeitseinsatz ist.
Wer Arbeitszeit als wertvolle Lebenszeit empfindet,
wird sich dem Thema „Work-Life-Balance“
ganz anders nähern als jemand, der Arbeitszeit
ausschließlich als Belastung empfindet. Und in
diese Richtung scheint sich der öffentliche Diskurs
derzeit „zu verlaufen“.
Klar ist, dass es in Bezug auf die verträgliche Arbeitsbelastung
kein Patentrezept gibt, da jeder Mensch unterschiedlich
ist. Der eine arbeitet gerne bis spät nachts und hält sich die
Wochenenden frei. Der andere braucht für seine volle Leistungsbereitschaft
seine acht Stunden Schlaf und ist dafür
auch samstags im Büro anzutreffen. Wieder ein anderer arbeitet
monatelang durch und gönnt sich dafür im Sommer
einen ganzen Monat Auszeit. Klar und wissenschaftlich erwiesen
ist auch, dass diese Auszeiten, sprich Freizeitphasen,
ganz wichtig für den Erhalt der Leistungsbereitschaft und
der Kreativität sind.
Die richtige Arbeits- und Freizeitaufteilung
Letztlich gilt es, den richtigen Work-Life-Rhythmus im
Sinne der richtigen Arbeits- und Freizeitaufteilung für sich
selbst zu finden und dann aber noch die Kunst zu beherrschen,
in seinem Umfeld das Leben in diesem Rhythmus
umzusetzen. Wem dies letztlich nicht gelingt und wer an
sich selbst über längere Zeit typische Erschöpfungssymptome
wahrnimmt (z.B. Schlafstörungen, verringerte Produktivität,
häufige Stimmungstiefs), dem sei geraten, auch
die Inanspruchnahme professioneller Hilfe nicht zu scheuen.
Oftmals ist der Weg in das Burn-Out durch rechtzeitiges
professionelles Coaching noch leicht umkehrbar.
Eine positive
Einstellung
zum Berufsleben
ist ein
wichtiger
Schlüssel zur
Zufriedenheit
trotz hohem
Arbeitseinsatz.
Zum Autor
Dr. Robert Herger
ist Wirtschaftsprüfer
und Steuerberater
r.herger@
raml-partner.at
Erscheinungsdatum: