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Ausgabe 04/2015

Prävention statt Burnout

VORSORGE. Über betriebliche Gesundheitsförderung. Von Andrea Kdolsky

„Burnout“ gilt als die neue Volkskrankheit. Die Berichte allerorts verheißen nichts Gutes und einer Studie der Gewerkschaft der Privatangestellten zufolge sind in Österreich eine Million Menschen gefährdet. Das Burnout-Syndrom führt häufig zur Krankschreibung, Arbeitsunfähigkeit oder Frühpensionierung. Was bedeutet es eigentlich? Bis heute gibt es keine Diagnosekodierung nach ICD, und daher sind es die Symptome, die hier besprochen werden. Der Begriff „Ausgebranntsein“ bezeichnet berufsbezogene und/oder familiär ausgelöste chronische Erschöpfung. Die Hauptursache sind sogenannte psychosoziale Belastungen. Betroffene haben das Gefühl, ständig unter Zeitdruck zu stehen, widersprüchliche Anweisungen zu bekommen oder sich nicht einbringen zu können. Außerdem fehlt ihnen oft die Unterstützung von Vorgesetzten oder Kollegen. Durch diesen Stress am Arbeitsplatz entstehen jährlich, laut EU-Schätzung, Kosten in der Höhe von 20 Milliarden Euro. Also handelt es sich hierbei nicht nur um persönliches Leid und betriebswirtschaftlichen Verlust, sondern auch um ein volkswirtschaftliches Millionengrab.

Reformunwillen der Gesundheitssysteme

Das Thema Prävention wird zum Teil aus der Mutlosigkeit, die durch den Reformunwillen der Gesundheitssysteme entstanden ist, als Allheilmittel gehandelt. Was bedeutet Prävention und inwiefern ist Prävention ein Thema in unserem Arbeitsumfeld? Als Prävention bezeichnet man vorbeugende Maßnahmen, um eine unerwünschte Entwicklung zu vermeiden. Der Begriff kann mit „vorausschauender Problemvermeidung“ übersetzt werden. Durch die Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 21. November 1986 wurde der Begriff, der Anfang des 19. Jahrhunderts im heutigen Sinne in der Rechtswissenschaft geprägt wurde, in die Gesundheitsförderung eingeführt. Er hat mittlerweile den älteren Begriff Prophylaxe verdrängt. Prävention zielt auf die Vorbeugung oder Früherkennung von Krankheit ab und spricht sich dabei z.B. für Impfungen, gesunde Ernährung, Früherkennung und ausreichende Bewegung aus.

Die Ottawa-Charta bietet ein Integrationsmodell an, um unterschiedliche Strategien der Gesundheitsaufklärung, -erziehung, -bildung, -beratung, -selbsthilfe sowie der Präventivmedizin anzuwenden und fortzuentwickeln. Ihr gesundheitspolitisches Leitbild wird auch als Umorientierung von der Verhütung von Krankheiten zur Förderung von Gesundheit beschrieben. Dies erfordert neue Handlungsprioritäten. Die zentrale Frage lautet: Was hält den Menschen gesund? Fokussiert werden also weniger Krankheiten und ihre Entstehung (Pathogenese), sondern Determinanten von Gesundheit (Salutogenese). Durch die Veränderung der Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen sowie des individuellen Verhaltens sollen bessere Bedingungen für gesundes Leben geschaffen werden. Dabei ist die aktive Beteiligung (Partizipation) der Individuen und Gruppen in ihren Lebenswelten essentiell, um nachhaltige Befähigung zu selbstbestimmtem Handeln zu ermöglichen.

Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz

Die Beschäftigten in einem Betrieb sind für die Gesundheitsförderung eine in sich geschlossene Adressatengruppe. Es erhöht die Chance der Beteiligung an Gesundheitsprogrammen, da es in den Betrieben bereits etablierte Kommunikationskanäle gibt. Ein Grund zur Förderung von Gesundheit am Arbeitsplatz ist der Schutz der Beschäftigten vor Schädigungen ihrer Gesundheit, die durch bestimmte berufliche Tätigkeiten hervorgerufen werden können. Ein anderer Aspekt ist das Arbeitsumfeld mit seinen Auswirkungen auf die Gesundheit. Eine ganze Reihe von Forschungsergebnissen zeigt, dass bestimmte Arbeitsformen wie Gleichförmigkeit, mangelnder Handlungs- und Entscheidungsspielraum, fehlende soziale Unterstützung und dauerhafter Stress sich negativ auf die Gesundheit auswirken.

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) bezeichnet eine mehrere Analyse- und Gestaltungsebenen umfassende Handlungsstrategie auf den Ebenen Mensch – Organisation – Arbeit, die strategisch und methodisch darauf abzielt, Gesundheitsressourcen im Unternehmen aufzubauen. Definitorisch und gesundheitspolitisch spielt im europäischen Raum die Luxemburger Deklaration (1997) eine wesentliche Rolle. Die betriebliche Gesundheitsförderung ist auch im Themenkreis der Vereinbarkeit von Privatleben, Familie und Beruf (Work-LifeBalance) von wachsender Bedeutung.

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst alle Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Dies kann durch eine Verknüpfung folgender Ansätze erreicht werden:

  • Verbesserung von Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen
  • Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung
  • Stärkung persönlicher Kompetenzen.

Grundlage für die aktuellen europaweiten Aktivitäten zur betrieblichen Gesundheitsförderung sind zwei Faktoren. Einerseits hat die EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (Richtlinie des Rates 89/391/EWG) eine Neuorientierung des traditionellen Arbeitsschutzes in Gesetzgebung und Praxis eingeleitet. Zum anderen wächst die Bedeutung des Betriebs als Handlungsfeld der öffentlichen Gesundheitsvorsorge (Public Health). Nach diesem Verständnis sind gesunde und qualifizierte Mitarbeiter sowohl in sozialer wie ökonomischer Hinsicht eine Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg der EU. Der zuständige Dienst der Europäischen Kommission hat daher eine Initiative zum Aufbau eines europäischen Netzwerks für Betriebliche Gesundheitsförderung unterstützt. Die EU ermutigt die Mitgliedstaaten, der Betrieblichen Gesundheitsförderung einen großen Stellenwert einzuräumen und bei politischen Entscheidungen Fragen der Gesundheit am Arbeitsplatz mit einzubeziehen.

Ein Beispiel ist das der klassischen Pathogenese vom Ansatz her entgegenstehende Salutogenese-Prinzip von Aaron Antonovsky. Während die Pathogenese Erkrankungen vermeidet, geht die Salutogenese weiter und fördert die Gesundheit und das Wohlbefinden. Aus der Luxemburger Deklaration gehen folgende Leitlinien zur Umsetzung Betrieblicher Gesundheitsförderung hervor:

  1. Die Belegschaft muss einbezogen werden (Partizipation).
  2. BGF muss bei allen Entscheidungen in allen Unternehmensbereichen berücksichtigt werden (Integration).
  3. Alle Maßnahmen und Programme müssen systematisch durchgeführt werden: Bedarfsanalyse, Prioritätensetzung, Planung, Ausführung, kontinuierliche Kontrolle und Bewertung der Ergebnisse (Projektmanagement).
  4. BGF beinhaltet sowohl verhaltens- als auch verhältnisorientierte Maßnahmen. Sie verbindet den Ansatz der Risikoreduktion mit dem des Ausbaus von Schutzfaktoren und Gesundheitspotentialen (Ganzheitlichkeit).

Mit Hilfe dieses Ansatzes wird angestrebt, gesundheitsbezogene betriebliche Handlungsfelder herauszufiltern und zu analysieren (z.B. Gesundheitssituation im Betrieb/Krankenstände, Fluktuation, Fehlzeiten, Motivationsfragen), um auf dieser Basis unter entsprechender Partizipation der Mitarbeiter Gesundheitsressourcen im Unternehmen aufzubauen. Salutogen wirksame betriebliche Gesundheitsprojekte setzen methodisch den Schwerpunkt auf Maßnahmenpakete, die unter Beachtung des Setting-Ansatzes generiert wurden und des Weiteren ein entsprechendes Empowerment, also eine themenbezogene Kompetenzentwicklung seitens der Zielgruppe, anstreben. Eine weitere Grundvoraussetzung nachhaltiger betrieblicher Gesundheitsförderung ist die möglichst permanente Evaluation derartiger Projekte. Bei Projekten, mit denen das Arbeitsschutzgesetz umgesetzt werden soll, ist diese Evaluation vorgeschrieben.

Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin

Kurz gefasst kann man eine salutogen fundierte betriebliche Gesundheitspolitik als Ausdruck der Tendenz der Überformung, Umwandlung und Integration klassischer Präventionsthemen (Krankenstände, Gesundheit am Arbeitsplatz und Arbeitsmotivation, Fehlzeiten, Unfallverhütung, menschengerechte Gestaltung von Arbeit und Organisation) betrachten. Dies stellt erhöhte fachliche Anforderungen v.a. an die Arbeitspsychologie und an die Arbeitsmedizin. Auch Mitarbeiter im Personalwesen und Mitglieder der Betriebs- und Personalräte müssen sich hier entsprechend weiterbilden. Letztlich stellt die Betriebliche Gesundheitsförderung auch eine Managementthematik bzw. ein modernes betriebliches Steuerungs-, Integrations- und Führungsinstrument dar. Grundansatz ist hierbei immer die Einbeziehung der Mitarbeiter und die Erhöhung ihrer gesundheitsbezogenen Handlungsfähigkeit (Empowerment).

Der ROI (Return On Investment) für Maßnahmen im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung wird in einschlägigen internationalen Studien mit dem Verhältnis 1:3 beziffert, was dieses Instrumentarium als ökonomisch hocheffektiv ausweist. Zusätzlich werden betrieblich vorteilhafte personalpolitische Steuerungsmöglichkeiten erzeugt, die bis hin zur Unternehmenspolitik, -kultur und -strategie reichen können (Betriebliches Gesundheitsmanagement). Eine methodisch abgesicherte Konzeption von betrieblichen Gesundheitsförderungsprojekten gewährleistet zudem die Möglichkeit der Übertragung vorhandener Projektdesigns und einschlägiger Projektergebnisse auf weitere, strukturell vergleichbare Unternehmensstandorte.

Erscheinungsdatum:

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