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Ausgabe 04/2016

Enthusiasmus für Kapital

PORTRÄT. Christoph Boschan ist der neue Vorstandsvorsitzende der Wiener Börse. Er hat einiges vor, unter anderem will er Kleinanleger für Investitionen an der Börse gewinnen. Von Karin Pollack

Die Nachricht kam im Juni. Ein Deutscher übernimmt die Position des Vorstandsvorsitzenden der Wiener Börse! Das war etwas Neues. Seit Anfang September ist Christoph Boschan nun im Amt. Als Nachfolger von Birgit Kuras und Michael Buhl hat er sich über den Sommer mit den österreichischen Gegebenheiten vertraut gemacht. Und war erst einmal überrascht: „Es hat mich gefreut, dass ich hier richtige Börsianer vorgefunden habe, fast alle Mitarbeiter sind schon lange im Geschäft, haben viel Know-how“, sagt er. Das mache ihm Mut. Wer derzeit beim neuen Börse-Chef einen Termin bekommen will, hat es nicht leicht. Sein Kalender ist randvoll, heißt es auf Anfrage. Doch offensichtlich ist Boschan ein überaus strukturierter Mensch, denn Medientermine hat er allesamt Ende Oktober über die Bühne gebracht. In so gut wie allen Tageszeitungen sind Interviews erschienen. Aus jedem Gespräch geht klar hervor: Der Mann hat einen Plan. Jedes seiner Argumente belegt er mit Zahlen. Auch die krisengeschüttelte Vergangenheit des Kapitalmarkts hat er mit Daten und Fakten im Kopf. Er ist seit 1999 im Kapitalmarktgeschäft. Boschan, Jahrgang 1978, ist jung, dynamisch, sein Lebenslauf makellos. Aufgewachsen in Berlin entschloss er sich nach dem Abitur für ein Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt- Universität Berlin. Doch irgendwann in dieser Zeit dürfte sein Herz für den Kapitalmarkt entbrannt sein, denn er promovierte an der Technischen Universität Chemnitz im Fachgebiet Börsenwesen. Auch das Jura-Studium schloss er ab, begann aber schon in seiner Studienzeit 1999 als Börsenhändler und Market Maker bei der Tradegate AG zu arbeiten. Fünf Jahre lang lernte er das Geschäft von der Pike, wechselte 2005 an die Börse Berlin in die Abteilung für Handelsüberwachung und Marktsteuerung, wurde 2010 Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, 2012 Vorstand der Börse in Stuttgart. Von dort wechselte er nun nach Wien. Was er sich für Österreich wünscht: Der österreichische Kapitalmarkt soll europäischer Durchschnitt werden, was die Marktkapitalisierung betrifft. Hierzulande beträgt sie 25 Prozent der Wirtschaftsleistung, europaweit sind es 50 bis 60 Prozent. „Da gibt es ein Potenzial“, sagt er enthusiastisch. „Investieren ist ein Marathon, kein Sprint. Die zwei erheblichen Krisen der letzten Jahre dürfen den Blick nicht aufs Wesentliche verstellen: Wir haben im ATX in den letzten 25 Jahren eine Durchschnittsrendite von sechs Prozent. Sagen Sie mir eine andere Anlageform, die diese Rendite schlägt.“

Randvoller Terminkalender

Eines von Boschans Zielen ist es, die Börse auch für Privatanleger attraktiv zu machen: „Das Problem ist, dass breite Bevölkerungskreise nicht von den Überrenditen profitieren, weil es an Finanzwissen fehlt.“ In diesem Bereich will er in die Offensive gehen, Schulungen für Kleinanleger anbieten, auf Aufklärung setzen. Österreichs börsennotierte Unternehmen haben heuer zwei Milliarden Euro ausgeschüttet, aber nur an wenige, finanzkräftige Investoren. Seine Idealvorstellung wäre, auch Kleinanleger am Kuchen teilhaben zu lassen. Die von der Regierung eingeführte Kapitalertragssteuer sei das größte Hindernis. Bereits als Vorstand der Stuttgarter Börse machte er sich stark, Kleinanleger von der Kapitalertragssteuer zu befreien, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. Boschan weiß, dass er dafür die Politiker überzeugen muss. Seine Anregung für das österreichische System: Die Politik bietet Unternehmen viel Unterstützung in der Gründungsphase. Hier würde er gerne an neuen Konzepten mitarbeiten. Sein Enthusiasmus könnte ihm dabei helfen. Was Boschan schon bemerkt hat: „Die Österreicher sind selbstkritisch“, sagt er, dabei habe Wien im Vergleich zu anderen Börsen „knallharte Vorteile“. Was er in Wien schön findet: Die Stadt an sich und die Tatsache, dass er von seiner Wohnung zu Fuß in die Wallnerstraße gehen kann. Und glücklich ist er auch darüber, dass seine Frau und sein kleiner Sohn aus Stuttgart nach Wien nachgekommen sind. Zeit mit seiner Familie ist für ihn nämlich die schönste Entspannung.

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