International. Über den Brexit und seine Folgen aus steuerrechtlicher Sicht. Von Verena Trenkwalder
Wie wir alle wissen, hat Großbritannien am 23. Juni 2016 in einer denkwürdigen und im Ausgang auch überraschenden Volksabstimmung für den Austritt aus der Europäischen Union votiert. Auf politischer Ebene beginnt nunmehr das langwierige Verfahren nach Art 50 des EU-Vertrages. Ein Austrittsabkommen muss verhandelt werden und es wird einen Tag X geben, an dem Großbritannien die Europäische Union verlässt. Dieser wird voraussichtlich frühestens Ende des Jahres 2018, eher erst in einem späteren Jahr liegen.
Was bedeutet Brexit?
Nachdem die potenzielle Option eines Exits vom Brexit derzeit politisch sehr unwahrscheinlich scheint, ist davon auszugehen, dass der Brexit ein Faktum ist. Die Frage ist nur, wie weit sich Großbritannien von der EU entfernen wird. Dabei gibt es verschiedene Szenarien:
- Großbritannien bleibt Mitglied im EWR, womit die Grundfreiheiten und verschiedene Grundsätze des EU-Rechts weiterhin anwendbar sind (analog Norwegen).
- Großbritannien verlässt auch den EWR und bleibt Mitglied der EFTA (ähnlich wie die Schweiz).
- Großbritannien bildet mit der EU eine Zollunion (ähnlich der Türkei).
- Großbritannien bleibt Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO), weitere Abkommen mit der EU bestehen nur auf bilateraler Ebene.
Die Wahl des Austrittsszenarios hat selbstverständlich massive Auswirkungen auf die Betroffenheit österreichischer Unternehmen vom Brexit. Der Themenbogen spannt sich von Wechselkursen, Preisen und Veranlagungsstrategien bis zu Konzernstrukturen, Transportwegen und Mitarbeiterentsendungen. Jedes Unternehmen ist daher gut beraten, sich nicht nur, aber auch mit den steuerlichen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Im Einzelnen betrifft dies folgende Bereiche:
EU-Beihilfenrecht
Sofern das EU-rechtliche strikte Subventionsverbot nicht mehr anwendbar ist, kann es zur Verschärfung des Steuerwettbewerbs, zum Beispiel auch zu
begünstigten Patentboxen, in England kommen. Wie weit die Staaten dagegen entsprechende Abwehrmaßnahmen ergreifen, bleibt abzuwarten.
Dividenden, Zinsen und Lizenzen
Wenn die Mutter-Tochter-Richtlinie sowie die Zins- und Lizenzrichtlinie nicht mehr anwendbar sind, sind die Unternehmen bei grenzüberschreitenden Zins-, Lizenz- oder Dividendenzahlungen rein auf innerstaatliches Recht und entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen angewiesen. Auch wenn Großbritannien nach innerstaatlichem Recht derzeit keine Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen einbehält, ist dennoch zu beachten, dass Quellensteuern nach dem DBA nur in Ausnahmefällen zur Gänze wegfallen, meistens aber zwischen 5 und 15 % liegen.
Umstrukturierungen
Wenn die Fusionsrichtlinie nicht mehr anwendbar ist, werden grenzüberschreitende Umstrukturierungen erschwert bzw sind ertragsteuerneutral unter Umständen nicht mehr möglich.
Wegzugsbesteuerung
Der Wegzug in einen anderen Staat löst üblicherweise unmittelbar steuerliche Folgen aus. Gewisse Privilegien, die bei einem Wegzug innerhalb der EU bestehen, werden wegfallen. Aus österreichischer Sicht könnte ein Brexit auch Auswirkungen auf bereits vollzogene Wegzüge haben, da der Steueraufschub nur so lange gilt, wie sich die Person in der EU aufhält.
Personalentsendungen
Konzernentsendungen können nach dem Brexit völlig andere steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen haben.
Wegfall des Rechtschutzes
Anstelle der EU-Schiedskonvention ist im Falle einer effektiven Doppelbesteuerung lediglich ein Verständigungsverfahren anwendbar, das vermutlich nur eingeschränkten Schutz bietet.
Umsatzsteuer
Nach dem Brexit finden zwischen Großbritannien und Österreich nicht mehr innergemeinschaftliche Lieferungen und Erwerbe, sondern Ausfuhrlieferungen bzw. Einfuhren aus Drittstaaten statt, die einem anderen Umsatzsteuerregime unterliegen. Inwieweit Zölle erhoben werden, hängt wiederrum vom Austrittsszenarium ab.
Was braucht Brexit?
Aus meiner Sicht ist es notwendig, die möglichen Auswirkungen zu analysieren und in den Fällen, in denen die Auswirkungen gravierend sind, potenzielle Lösungsszenarien zu suchen, die wenn möglich noch im Jahr 2017, spätestens aber im Jahr 2018, also noch während der Zugehörigkeit Großbritanniens zur Europäischen Union, umgesetzt werden müssen.
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