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Ausgabe 04/2020

Schwerpunkt: Epidemische Maßnahmen

KRISE. In Zukunft wird es vielfach um Insolvenzen gehen. Über Restrukturierungsberatung im Zuge der COVID-19-Krise. Von Ulla Reisch

Die durch das Corona-Virus ausgelöste Wirtschaftskrise wird sich durch das Anhalten der Epidemie in den nächsten Monaten weiter verschärfen. Der Zeitpunkt des Beginns eines wirtschaftlichen Aufschwungs wird von den Wirtschaftsforschungsinstituten laufend nach hinten verschoben. Sofern nicht ein Strategiewechsel in der Politik in die Richtung erfolgt, dass nur mehr vulnerable Gruppen geschützt werden und die restliche Bevölkerung mehr oder weniger wie - der ein normales Leben aufnimmt, werden Leitungsorgane auch weiterhin mit dem Zustand der teilweise vollkommenen Unplanbarkeit des operativen Geschäftsbetriebes konfrontiert sein. Eine Rückkehr zum normalen operativen Geschäftsbetrieb bleibt sonst für viele Unternehmen bis auf weiteres nicht absehbar. Dieses Abhandenkommen der Planbarkeit stellt Leitungsorgane aber vor große Herausforderungen betreffend ihr pflichtgemäßes Handeln. Die Erstellung von Restrukturierungskonzepten bedarf nicht nur der Analyse der Krisen- und Verlustursachen, sondern einer geeigneten Planung von Sanierungsmaßnahmen (diese müssen auch verwirklichbar erscheinen), und kann eigentlich nur nach Beendigung einer Krise oder deren Absehbarkeit erfolgen, da Basis nicht nur eine nachhaltige Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit, sondern auch eine Wiederherstellung der Ertragskraft in der Zukunft ist. Da aber für viele Unternehmen laufend neu getroffene Planungsannahmen nun wieder mindestens im Wochenrythmus wegfallen bzw. sich ändern, daher auf unabsehbare Zeit keine Planungssicherheit als Basis für ein Restrukturierungskonzept gegeben ist, und auch kein Ende staatlicher Hilfsmaßnahmen in Aussicht ist, warten derzeit viele Leitungsorgane mit außergerichtlichen oder gerichtlichen Restrukturierungsschritten zu, dies auch um nicht Chancen noch zu verpassen und/oder den optimalen Zeitpunkt für den höchsten Bereinigungseffekt aus Verlusten zu evaluieren. Auch die bisher großzügigen Stundungen der Finanz, der Sozialversicherung und der Finanzgläubiger ermöglichen ein Zuwarten. Viele Leitungsorgane sind daher derzeit noch im „Abwarte-Modus“. Dies spiegelt sich in der sehr geringen Zahl an außergerichtlichen und gerichtlichen Restrukturierungen seit dem Lockdown. Möglicherweise wird erst ein gesamtwirtschaftlicher Aufschwung zu vermehrten außergerichtlichen und gerichtlichen Unternehmensrestrukturierungen, aber auch Konkursverfahren und damit auch zu einer Marktbereinigung führen. Vor diesem Hintergrund sind folgende Themen in der Restrukturierunsgsberatung aktuell zu berücksichtigen:

Pflicht zur Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen, von Sanierungsmaßnahmen

Jede Gefährdung der Zahlungsfähigkeit und jede Bestandsgefährdung eines Unternehmens verpflichten die Leitungsorgane, 

Auch die bisher großzügigen Stundungen der Finanz, der Sozialversicherung und der Finanzgläubiger ermöglichen derzeit ein Zuwarten.

einerseits das Vorliegen von Insolvenzgründen und andererseits die Möglichkeiten von Gegen- und Sanierungsmaßnahmen zu prüfen. Um eine Insolvenzwelle als Folge des Lockdowns und der weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie zu vermeiden, wurden im 2. und 4. COVID-19-Gesetz und aktuell in einer Novelle zum 2. COVID-19-JuBG Regelungen hinsichtlich der Insolvenzgründe und hinsichtlich der Haftung von Leitungsorganen getroffen. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) bleibt weiter aufrecht. Bei Zahlungsunfähigkeit besteht daher weiterhin eine Verpflichtung zur unverzüglichen Insolvenzantragstellung. Die für die Insolvenzantragstellung zur Verfügung stehende Maximalfrist beträgt grundsätzlich 60 Tage ab objektiver Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit. Ist der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aber auf die Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen, beträgt die Maximalfrist 120 Tage ab objektiver Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit. Die Ausnutzung der Maximalfrist ist aber jeweils nur so weit zulässig, als Sanierungsbemühungen aus Ex-ante-Sicht noch erfolgversprechend erscheinen. Der Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 67 IO) blieb unverändert, wenn Überschuldung bereits vor dem 1.3.2020 vorlag, dies unabhängig davon, wann objektive Erkennbarkeit eingetreten ist. In diesem Fall war daher weiterhin unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen, wofür wie bisher eine Maximalfrist von 60 Tagen ab objektiver Erkennbarkeit der Überschuldung zur Verfügung stand. Die Ausnutzung der Maximalfrist war aber nur so weit zulässig, als Sanierungsbemühungen aus Ex-ante-Sicht noch erfolgversprechend waren. Wenn die Überschuldung aber zwischen dem 1.3.2020 (es wird dazu nicht auf die objektive Erkennbarkeit abgestellt) und nunmehr dem 31.1.2021 eingetreten ist bzw. eintritt, besteht deswegen keine Insolvenzantragspflicht (zuletzt geändert durch das 2. COVID19-JuBG in der aktuellen Fassung). Ist der Schuldner bei Ablauf des 31.10.2020 überschuldet, so hat er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach der aktuellen Gesetzeslage ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf des 31.1.2021 oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung, je nachdem welcher Zeitraum später endet, zu beantragen. Die Berechtigung, auch bei Eintritt der Überschuldung in diesem Zeitraum einen Insolvenzantrag deshalb zu stellen, besteht aber weiterhin. Wenn Insolvenzgründe vorliegen oder diese zwar noch nicht eingetreten sind, sich aber Krisenmerkmale verdichten, haben Leitungsorgane Sanierungsmaßnahmen zu evaluieren. In diesem Zusammenhang sind sie verpflichtet, die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, insbesondere die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage, engmaschig zu prüfen, geeignete Finanzpläne, die verschiedene Szenarien berechnen, aufzustellen und auch laufend und verstärkt an den Aufsichtsrat oder die Generalversammlung zu berichten. Hierzu sei auf § 36 Abs. 2 GmbHG und § 83 AktG sowie § 81 Abs. 1 und Abs. 3 AktG verwiesen. Umgekehrt hat natürlich auch der Aufsichtsrat in der Krise eine enge Abstimmung und Information einzufordern. Auch Steuerberater und Abschlussprüfer haben ihre Beratung bzw. notwendigen Handlungen anzupassen. Sanierungsüberlegungen werden einerseits die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen, Überbrückungskrediten, Stundungen, Forderungsverzichten, das Einfordern bzw. Abfragen von Beiträgen aus der Gesellschaftersphäre, Umstellen auf Factoring-Lösungen, das Geltendmachen von Ansprüchen aus Betriebsunterbrechungsversicherungen und Schadenersatzansprüchen, das Nachverhandeln bzw. Anpassen von bestehenden Vertragsverhältnissen, die Verwertung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, aber auch betriebswirtschaftliche und strategische Neuausrichtungen umfassen. Zu beachten ist, dass für den Fall der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Kurzarbeitshilfe und sonstiger staatlicher Unterstützungsleistungen durch Leitungsorgane selbst dann verpflichtend sein wird, wenn das Unternehmen aktuell über ausreichende Liquiditätsreserven verfügt, weil dadurch jedenfalls finanzielle Nachteile des Unternehmens durch die COVID-19-Krise vermindert werden können.

Beiträge aus der Gesellschaftersphäre können u.a. neben Stundungen und Verzichten bisherige Finanzierungen betreffend auch durch neue Gesellschafterdarlehen, Zuschüsse oder die Abgabe von Patronatserklärungen oder die Abgabe von Garantien erfolgen.

Beiträge aus der Gesellschaftersphäre können u.a. neben Stundungen und Verzichten bisherige Finanzierungen betreffend auch durch neue Gesellschafterdarlehen, Zuschüsse oder die Abgabe von Patronatserklärungen oder die Abgabe von Garantien erfolgen. Durch das 2. COVID-19-JuBG in der aktuellen Fassung wird normiert, dass die Gewährung von Geldkrediten im Zeitraum von 5.4.2020 bis 31.1.2021 für nicht mehr als 120 Tag, nicht eigenkapitalersetzend ist, sofern die Gesellschaft für diesen Kredit weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus ihrem Vermögen bestellt hat. Eine in diesem Rahmen erfolgende Rückführung von Gesellschafterkrediten würde daher nicht gegen die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG verstoßen und wäre daher für Leitungsorgane nicht haftungsbegründend. Sollte es in diesem Zeitraum von 120 Tagen vor Rückführung zu einer Insolvenz kommen, wäre die Forderung des Gesellschafters aus diesem Kredit nicht nachrangig i.S.d. § 57a IO. Nach Ablauf der 120 Tage ist aber jedenfalls die Rückführung ernstlich zu betreiben, um Eigenkapitalersatz zu vermeiden. Daher können auf diese Weise fehlende liquide Mittel z.B. bis zur Refundierung von Kurzarbeitsbeihilfe oder dem Erhalt sonstiger staatlicher Förderungen bzw. von Überbrückungsfinanzierungen ohne Eigenkapitalersatzrisiko von Gesellschafterseite zur Verfügung gestellt werden. Die Kapitalerhaltungsbestimmungen bei Schwesternfinanzierungen oder Up-Stream-Finanzierungen sind unverändert einzuhalten. Zu den Themen Jahresabschlusserstellung und Nichtausschüttung von Gewinnen wird auf die zahlreich dazu veröffentlichten Beiträge verwiesen. Neben der positiven Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen sind die finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus aus der bestehenden Fürsorge- und Schutzpflicht als Dienstgeber und Hygienemaßnahmen etc. gegenüber Vertragspartnern zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die bereits mehrfach angesprochene fehlende Planungssicherheit wird die Planung von Alternativszenarien und deren Auswirkungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage und deren laufende Evaluierung und Anpassung von pflichtgemäßem Handeln von Leitungsorganen anzugehen sein. Mit einer Planung und laufenden Evaluierung von Alternativszenarien kann sachgerecht versucht werden, der Unplanbarkeit zu begegnen.

Haftungsthemen für Leitungsorgane

Bezüglich der Haftung von Leitungsorganen im Zusammenhang mit einer gebotenen Insolvenzantragstellung ist zwischen einer möglichen „Innenhaftung“ gegenüber der Gesellschaft für Betriebsverluste und für nach Insolvenzreife geleistete Zahlungen sowie einer möglichen „Außenhaftung“ gegenüber Gläubigern zu unterscheiden. Bezüglich der Innenhaftung für Betriebsverluste (§ 25 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 69 IO; § 84 Abs. 2 AktG i.V.m. § 69 IO) ist darauf abzustellen, ob seitens der Leitungsorgane eine gesetzliche Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung (§ 69 IO) verletzt wird, weil nur dann ein haftungsbegründendes, pflichtwidriges Handeln von Leitungsorganen anzunehmen wäre. Wenn und soweit gegenwärtig betreffend Überschuldung keine gesetzliche Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung besteht, ist keine Grundlage für eine Haftung für Betriebsverluste gegeben, die ab Erkennbarkeit der Überschuldung erwirtschaftet werden. Die Voraussetzungen für eine Innenhaftung von Leitungsorganen für Zahlungen (§ 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG; § 84 Abs. 3 Z 6 AktG) sind im AktG und im GmbHG unterschiedlich gestaltet. Während § 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG nach seinem Wortlaut darauf abstellt, dass „Zahlungen nach dem Zeitpunkt geleistet werden, in dem die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu begehren“ war, stellt § 84 Abs. 3 Z 6 AktG darauf ab, dass „Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat“. Beide Regelungen wurden in der Judikatur und Lehre dahingehend interpretiert, dass eine Haftung nicht an der Verletzung der Pflicht zur Insolvenzantragstellung, sondern an einer Weiterführung der Geschäftstätigkeit trotz materieller Insolvenz anknüpft, d.h. die Bestimmung des GmbHG wurde i.S. der Regelung des AktG verstanden. Im 4. COVID-19-Gesetz (III. Hauptstück § 9 Abs. 4) sowie in den dazu beschlossenen Novellen wurde vorgesehen, dass die an die Überschuldung anknüpfende Haftung gemäß § 84 Abs. 3 Z 6 AktG in der Zeit vom 1.3.2020 bis 31.1.2021 entfällt. Zu § 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG findet sich keine entsprechende Regelung. Im Hinblick darauf, dass die Haftungsvoraussetzungen aber im GmbHG (wie erwähnt) anders geregelt sind – diese stellen auf die Insolvenzantragspflicht ab – und bereits den Erläuternden Bemerkungen zum 2. COVID-19-Gesetz zu entnehmen ist, dass eine Haftung von Leitungsorganen im Zusammenhang mit COVID-19 eingeschränkt werden soll, ist in diesem Zusammenhang von einer bewussten Unterlassung des Gesetzgebers auszugehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Innenhaftung für „Zahlungen“ sowohl bei der AG als auch bei der GmbH in der Zeit vom 1.3.2020 bis 31.1.2021 dann nicht vorliegen, wenn nur der Insolvenzgrund der Überschuldung vorliegt und dieser zum oder nach dem 1.3.2020 eingetreten ist. Bezüglich des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit wurden bislang keine Haftungserleichterungen für Leitungsorgane geregelt. An dieser Stelle ist weiters darauf hinzuweisen, dass Leitungsorgane nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens (§ 69 Abs. 5 IO) eine direkte Außenhaftung gegenüber „Altgläubigern“ betreffend eine Quotenverschlechterung gem. § 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG/§ 84 Abs. 3 Z 6 AktG i.V.m. § 69 IO (i.V.m. § 1311 ABGB) treffen kann. Unabhängig davon, wie man diese Haftung rechtsdogmatisch einordnet, ist zu möglichen Haftungsrisiken in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass bei Entfall einer Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung nach dem 4. COVID-19-Gesetz (im Fall einer im Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.1.2021 eingetretenen Überschuldung) keine rechtswidrige „Insolvenzverschleppung“ durch Leitungsorgane anzunehmen ist und daher die Grundlagen für diese Außenhaftung nicht gegeben sein werden. Anderes ergibt sich für „Neugläubiger“ aus den im Einzelfall zu prüfenden vorvertraglichen Aufklärungspflichten im Hinblick auf das Vorliegen von materieller Insolvenz. Der Wegfall der Insolvenzantragspflicht für Überschuldung ändert hier nichts an den schon bisher bestehenden Haftungsrisiken und deren Vermeidung durch Umstellen auf „Insolvenzgestion“, d.h. Zug-um-Zug-Zahlung von Neugläubigern. Die strafrechtlichen Insolvenzdelikte sind unverändert anwendbar.

Gerichtliche Sanierungsverfahren versus außergerichtliche

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen dieses Beitrags nur ein grober Überblick gegeben werden kann. Als Sanierungsverfahren werden gemäß §§ 166ff IO jene Verfahren bezeichnet, bei denen der Schuldner zugleich mit dem Insolvenzantrag einen Sanierungsplan vorlegt und dessen Annahme beantragt. Der Schuldner muss den Gläubigern in einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung einen Sanierungsplan mit einer Quote von mindestens 20%, in einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung einen Sanierungsplan mit einer Quote von mindestens 30%, jeweils zahlbar binnen zwei Jahren, anbieten. Die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens kann gemäß § 167 Abs. 2 IO bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit beantragt werden. Während des Verfahrens ist die Bezahlung der laufend neu anfallenden Kosten sicherzustellen, da andernfalls das Unternehmen zu schließen ist. Zur Annahme des angebotenen Sanierungsplans sind gemäß § 147 Abs. 1 IO zwei Mehrheiten erforderlich. Einerseits ist erforderlich, dass die Mehrheit der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger zustimmt. Zusätzlich muss die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger betragen. In der Praxis kommt der außergerichtlichen Restrukturierung eine große Bedeutung zu. Im Zuge der außergerichtlichen Restrukturierung versucht der Schuldner auf der Basis eines Sanierungskonzepts ohne gerichtliche Hilfe eine Einigung mit ausgewählten Gläubigern, vorwiegend seinen Finanzgläubigern, betreffend einen teilweisen Forderungsverzicht bzw. eine Änderung der Zahlungsbedingungen zu erzielen, um dadurch wieder eine positive Fortbestandsprognose herzustellen. Zu den Vorteilen einer außergerichtlichen Sanierung zählen die höhere Diskretion, die formlose und flexiblere Abwicklung hinsichtlich Maßnahmen und Fristen, die Vermeidung der gerichtlichen Verfahrenskosten sowie die Beibehaltung der vollen Verfügungsberechtigung der Leitungsorgane. Umgekehrt darf aber nicht übersehen werden, dass durch die begünstigte Auflösung von Arbeitsverhältnissen (§ 25 IO) und sonstigen Verträgen (§§ 21, 23 IO) sowie Vorteilen im Rahmen der Sanierungsgewinnbesteuerung und eines höheren Sanierungseffektes, weil alle Gläubiger von der Quotenverkürzung betroffen sind, erhebliche Sanierungsbeiträge durch ein gerichtliches Sanierungsverfahren kostengünstiger bewirkt werden können. Überdies bedarf die außergerichtliche Restrukturierung der Zustimmung aller betroffenen Gläubiger. Weiters gilt bei der außergerichtlichen Restrukturierung der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, d.h. alle Gläubiger müssen gleich behandelt werden bzw. muss bei einer Ungleichbehandlung die Zustimmung der schlechter behandelten Gläubiger gegeben sein. Es ist jedenfalls immer auf den Einzelfall abzustellen, ob eine außergerichtliche Restrukturierung oder ein gerichtliches Sanierungsverfahren vorteilhafter ist. Dabei ist insbesondere auch auf die Art des Unternehmens, die Krisensituation, die Art und Anzahl der Gläubiger und die Finanzierungsmöglichkeiten abzustellen. Darauf hinzuweisen ist, dass während eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens Kurzarbeitsbeihilfen aus nicht nachvollziehbaren Gründen vom Gesetzgeber nicht zugelassen wurden. Wird über ein Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet, ist eine gewährte Kurzarbeitsbeihilfe vorzeitig zu beenden. Dies gilt selbst dann, wenn das Unternehmen während des Insolvenzverfahrens fortgeführt wird. Bis dato wurden keine alternativen Lösungen zur Unterstützung des Fortbetriebs während eines Insolvenzverfahrens normiert. Insgesamt ist festzuhalten, dass auch mit den Möglichkeiten eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens eine sehr gute und langjährig erprobte Möglichkeit zur Sanierung von Unternehmen zur Verfügung steht. Coronabedingte Änderungen u.a. bei der Erfüllungsfrist, flexiblere Abbaumöglichkeiten von Arbeitsplätzen zu Verfahrensbeginn, um den Erhalt der restlichen Arbeitsplätze zu ermöglichen, und begleitende Maßnahmen zur Unterstützung des Fortbetriebes wie eben durch Kurzarbeit oder Änderungen beim Insolvenzentgelt sowie Erleichterungen bei den Haftungstatbeständen für Leitungsorgane wären wünschenswert.

Präventiver Restrukturierungsrahmen

Im Juli 2019 ist die EU-Richtlinie (2019/1023; abrufbar unter www.europa.eu/plenaryde/texts-adoptes.html) u.a. über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren in Kraft getreten. Mit der nationalen Umsetzung ist in Österreich nun sehr zeitnah zu rechnen. Aktuell ist noch kein Ministerialentwurf abrufbar. Die in Titel II der Richtlinie vorgesehenen präventiven Restrukturierungsrahmen sollen Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten zur Verfügung stehen, wenn eine Insolvenz droht bzw. wahrscheinlich ist („likelihood of insolvency“) und die Aussicht besteht, diese zu vermeiden und die Lebensfähigkeit des Schuldners zu ermöglichen. Damit soll eine außergerichtliche Unternehmensrestrukturierung unterstützt werden. Dies ist auch für den Fall des sogenannten „Akkordstörers“ bei sehr gut vorbereiteten und bereits mit den betroffenen Finanzgläubigern vorabgestimmten außergerichtlichen Restrukturierungen, wenn nur mehr der „Akkordstörer“ für eine positive Fortbestandsprognose auf Basis des vorabgestimmten Restrukturierungsplans „einzufangen“ ist, auch zu begrüßen. Nach der Richtlinie schließt Zahlungsunfähigkeit ein derartiges Verfahren aus. Mit Spannung wird erwartet, wieweit die URG-Kennzahlen und allenfalls bedingte Fortbestandsprognosen (die nur mehr von der Annahme/Bestätigung des Restrukturierungsplans abhängig sind) für die Verfahrenszulässigkeit entscheidend sein werden. Die Entschuldung soll im Rahmen der Eigenverwaltung erfolgen und es soll auch die Möglichkeit bestehen, ein derartiges Verfahren ohne Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten (vergleichbar allenfalls einem Sanierungsverwalter nach der IO) durchzuführen. Auch der österreichische Gesetzgeber wird sich bei der Umsetzung an die Richtlinienvorgaben zur Abstimmung von betroffenen Gläubigern in Gläubigerklassen halten müssen und damit Neuland betreten, da bisher in Österreich nur eine Unterscheidung von besicherten und unbesicherten Gläubigern in Insolvenzverfahren erfolgt ist. Für alle Klassen sind für die Annahme des Restrukturierungsplans die gleichen Mehrheiten vorzusehen. Die Richtlinie gibt hier vor, dass neben einer Kapitalmehrheit von maximal 75% auch eine Kopfmehrheit je Klasse normiert werden kann. Unter gewissen Voraussetzungen kann bei Nichtzustimmung aller Klassen entsprechend den dafür vorgesehenen Mehrheiten durch das Gericht ein „cross-class cram-down“ erfolgen. Die entsprechenden Umsetzungsergebnisse durch den österreichische Gesetzgeber bleiben abzuwarten. Die Richtlinie soll auch für KMU gelten und auch erst das Entwickeln von Restrukturierungsplänen ermöglichen. Um Letzteres und die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan zu unterstützen, kann das Gericht unter gewissen Bedingungen weitgehende Vollstreckung- und Verwertungssperren und Eingriffe in Verträge für einen begrenzten Zeitraum (für alle Schuldner, nicht nur KMU) genehmigen. Vor dem Hintergrund der Missbrauchsvermeidung wird vom österreichischen Gesetzgeber zu erwarten sein, dass eine Verletzung von Rechnungslegungspflichten zu Einschränkungen von ansonsten eingeräumten Rechtsrahmen für Schuldner führen wird. Für die erfolgreiche Umsetzung eines Restrukturierungsplans kann für Neu- und Zwischenfinanzierungen sowie unbedingt notwendige Transaktionen eine erschwerte Anfechtung dieser Maßnahmen in einem allfälligen späteren Insolvenzverfahren vorgesehen werden. Die Richtlinie ermöglicht, dass derartige Verfahren als öffentliche oder als nichtöffentliche Verfahren geführt werden; dies über Antrag des Schuldners und mit daraus resultierender unterschiedlicher Anerkennungswirkung im Ausland. Das demnächst erwartete neue Gesetz zur vorinsolvenzlichen Restrukturierung, das die genannte EU-Richtlinie umsetzen wird, wird aus Sicht der Sanierung von Großunternehmen durch Beiträge von deren Finanzgläubigern als Bereicherung der bisherigen Praxis zur außergerichtlichen Restrukturierung zu begrüßen sein. Ob die Ziele der EU auf diesem Weg auch für KMU in der Praxis umgesetzt werden können, erachte ich als sehr fraglich.

Fraglich bleibt allerdings, wie lange die Zukunft weiter durch Unplanbarkeit gekennzeichnet sein wird, denn eine solche steht Sanierungskonzepten generell entgegen.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob neben der zeitnah erfolgenden nationalen Umsetzung der EU Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen noch gesetzliche Anpassungen in der Insolvenzordnung zur Unterstützung von pandemiebedingt notwendigen Restrukturierungen von Unternehmen nun zeitnah erfolgen werden. Es bleibt zu hoffen, dass dabei eine ausgewogene Lösung zwischen Schuldner- und Gläubigerseite gefunden wird und schädliche wettbewerbsverzerrende staatliche Eingriffe nicht weiter massiv erfolgen. Fraglich ist allerdings dabei, wie lange die Zukunft weiter durch Unplanbarkeit gekennzeichnet sein wird, denn eine solche steht Sanierungskonzepten generell entgegen. Und da werden auch die besten vorinsolvenzlichen/ außergerichtlichen oder gerichtlichen Sanierungsmöglichkeiten nicht helfen, solange nicht wieder Planbarkeit der Zukunft im bisher verstandenen Sinn eintritt.

Erscheinungsdatum:

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