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Ausgabe 04/2022

Die Ruhe im Sturm

PORTRÄT. Magnus Brunner ist seit einem Jahr Finanzminister der Republik. Der ÖVP-Politiker steuert das Schiff durch schwierige Gewässer. Seine Stärke: Er verliert niemals die Nerven. Von Karin Pollack

Oft kann man es sich im Leben nicht aussuchen: Erst die Corona-Pandemie, dann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und damit verbunden die Energie-Krise. Öl, Strom und Gas kosten dreimal so viel wie im vergangenen Jahr und das treibt die Inflation in schwindelnde Höhe. Seit 1945 gab es keine solche Wirtschaftskrise und der Mann, der das Ausmaß der finanziellen Belastungen für den Staat auch zahlenmäßig im Überblick hat, ist Österreichs Finanzminister Magnus Brunner. Er ist nun ein Jahr im Amt. Unter seiner Ägide wurden und werden milliardenschwere Hilfspakete auf den Weg gebracht. Zur Erinnerung: Corona-Hilfen, zwei Teuerungspakete und aktuell die Maßnahmen zur Bekämpfung der Energiekrise. Wobei dazu auch zählt, die Übergewinne der Energieversorger abzuschöpfen. „Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen“, sagt Magnus Brunner bei einer Pressekonferenz Anfang November an der Seite von Grünen-Chef Werner Kogler. „Es ist eine Frage der Fairness, dass der Staat eingreift, und ich sage das, obwohl ich sonst kein Freund von staatlich verordneten Eingriffen in den Markt bin“, rechtfertigt Brunner diese Maßnahme und lächelt dabei. Mit dem Geld werde Staatsbürgern geholfen, die sich die Preise nicht mehr leisten können. Und: Parallel dazu können die Konzerne diese Übergewinnabgabe verringern, wenn sie in erneuerbare Energien investieren. Denn einmal unabhängig vom Krisenmodus ist die ökosoziale Steuerreform ein wichtiges Ziel der schwarz-grünen Regierung. Krise als Chance? Als erfahrener Politiker würde es Brunner wahrscheinlich so nie ausdrücken, doch zwischen den Zeilen kommt seine Botschaft trotzdem an. Das kann er, weil er ein Polit-Profi ist und sein Geschäft von der Pike auf gelernt hat. Geboren 1972 in Höchst in Vorarlberg, wuchs er in einer Unternehmerfamilie auf. Am Mittagstisch wurde politisiert. Und klar, man wählte, so wie im Ländle üblich, die Österreichische Volkspartei. Neben einem florierenden Buchhandel investierte der Vater in Textilunternehmen. Magnus besuchte zuerst die Volksschule in Höchst und später das Privatgymnasium der Zisterzienser in Mehrerau-Bregenz. Mit 16 Jahren verbrachte er ein Auslandsjahr am renommierten Eton College in England, deshalb ist sein Englisch auch wirklich „british“. Die Zeit dort habe ihn zu einem Shakespeare-Kenner gemacht. „Ich konnte den Hamlet auswendig“, sagt er und zitiert die Passagen zum „To be or not to be“ gerne noch manchmal zu Showzwecken. „Hamlet“ sollte auch später sein Spitzname im Österreichischen Cartellverband werden, dem er als Student der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck beitrat.

Tadellose Karriere
In seiner Freizeit spielte Magnus Brunner leidenschaftlich Tennis und hatte sogar einmal gegen den Grand-SlamSieger Julian Knowle eine positive Bilanz. Statt in eine Tenniskarriere vertiefte er sich dann aber doch lieber in die Rechtswissenschaften und dissertierte 1996 zum Thema „Reichweite der ärztlichen Schweigepflicht“. Als Krönung seiner Ausbildung absolvierte er ein Post-Graduate-Studium am King’s College in London. Tadellose Karriere, keine Durchhänger.

Nach Abschluss seines Studiums ging er für ein Praktikum nach Brüssel, wo er im Ausschuss der Regionen zufällig den Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Sausgruber und dessen Büroleiter Markus Wallner kennenlernte. Die drei tranken Kaffee miteinander und unterhielten sich blendend. „Ohne diese zufällige Begegnung damals wäre mein Leben wahrscheinlich ganz anders verlaufen“, verrät er in einem Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“. Als Sausgruber 1999 einen Büroleiter suchte, erinnerte er sich an Brunner und holte ihn in sein Team. Sein politisches Know-how habe er Sausgruber zu verdanken, betont Brunner immer wieder. Was das konkret bedeutet? Brunner ist in Sachfragen stets bestens vorbereitet, hat alle Fakten parat und argumentiert knapp und präzise. Bei allem, was er sagt, ist er verbindlich und freundlich, man nimmt ihm den guten Willen ab. Auch mit Anfechtungen kann Brunner umgehen. Wie? Indem er Missstände unumwunden zugibt, aber stets sofort eine Lösung parat hat. Ein Beispiel: Rund um die Skandale des ehemaligen BMF-Generalsekretärs Thomas Schmid hat er dessen machtvolle Position einfach abgeschafft, ein Gremium zur Neuordnung etabliert und auch bereits einen Vorschlag gemacht. Sein unaufgeregter Pragmatismus hat ihm in der Vergangenheit manchmal den Ruf eingebracht, farblos zu sein. In Krisenzeiten scheint sich diese Herangehensweise allerdings zu bewähren, auch weil sie Teil von langer politischer Erfahrung ist.

Die wichtigen Stationen seiner Karriere
Als Sausgruber 2002 zurücktrat, wurde Magnus Brunner der politische Direktor des Österreichischen Wirtschaftsbundes, war als Kommunikationsprofi beim Energieversorger Illwerke/VKW-Gruppe tätig. Parallel dazu trieb er seine politische Karriere als Ersatzmitglied des österreichischen Bundesrates voran, im Mai 2009 wurde er Vorarlberger Mitglied, 2018 Vizepräsident des Bundesrates. Aus dieser Position heraus holte ihn Sebastian Kurz 2020 in die Bundesregierung, wo er im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt und Energie der Grünen Leonore Gewessler als ÖVP-Staatssekretär zur Seite gestellt wurde. Auch diese Zusammenarbeit funktionierte hervorragend, die Grünen kamen wunderbar mit Brunner aus. Als schließlich im Dezember 2021 ein Nachfolger für Gernot Blümel als Finanzminister der Republik gesucht wurde, fiel die Wahl auf den damals 49-jährigen Vorarlberger. Er scheint auch weiterhin ein Ass im Personal-Köcher der ÖVP zu bleiben, denn immer fällt sein Name, wenn es um allfällige Rochaden in der Regierung geht. Brunner selbst kommentiert diese stets mit einem einzigen Satz, dass er sich „keinen wichtigeren Job als jenen des Finanzministers vorstellen könne“, oder „sich als Finanzminister sehr wohl fühlte“. Sein aktuell politischer Fokus: Anreize schaffen, um Energie zu sparen, die Menschen durch die Krise bringen und dabei die Umsetzung der ökosozialen Steuerreform nicht aus den Augen verlieren. Lediglich an ein Nulldefizit will er derzeit nicht denken, denn aktuell geht es darum, „die Teuerung zu bekämpfen“. In einem Interview mit der Wochenzeitschrift „Profil“ gesteht er, dass sie ihm immer wieder auch „schlaflose Nächte“ bescheren würde. Über Magnus Brunners Privatleben ist sehr wenig bekannt. Der heute 51-jährige Vorarlberger ist verheiratet und hat drei Söhne, die – so wie er selbst – englische Privatschulen besuchen. Zu Hause in Höchst hat die Familie einen CricketPlatz im Garten, einen der wenigen in Kontinentaleuropa. Seine Funktion als Präsident des Österreichischen Tennisverbandes hat er mit dem Antritt als Finanzminister ruhend gestellt. Und, ach ja, Magnus Brunner trinkt bis zu zehn Tassen Kaffee am Tag. Diese Hochdosis Koffein bringt ihn nicht aus der Ruhe, im Gegenteil, sie scheint ihn durch die multiplen Krisen zu tragen. Brunner hat sich die schwierigen Zeiten für sein Amt nicht ausgesucht, eine Zeitlang wird seine Ruhe sicherlich noch gebraucht werden.

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