CHANGE. Arbeitszeitgestaltung in Steuerberatungskanzleien: Über Herausforderungen und Möglichkeiten. Von Florian Schrenk
Die heutige Arbeitswelt stellt auch die Branche der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen vor zahlreiche Herausforderungen. Zum einen gibt es einen akuten Bedarf an Arbeitnehmer:innen, der eine Attraktivierung der Branche bzw. der Kanzleien erfordert. Zum anderen hat sich die Arbeitsweise auch bei uns in den Kanzleien – nicht zuletzt wegen der CovidKrise – verändert. Flexibilisierung der Arbeitszeit, Unternehmenskultur oder Homeoffice sind nur einige wenige Begriffe in diesem Zusammenhang, diese Liste ließe sich nach Belieben erweitern, etwa um die Begriffe „New Work“, „Mobile Working“ oder „digitaler Nomade“. Sowohl der Bedarf an Arbeitskräften als auch die Änderung der Arbeitsweisen selbst erfordern die Schaffung von arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. Mit diesen Änderungen und Neuerungen sind auch (rechtliche) Herausforderungen verbunden. Den damit zusammenhängenden Aspekten ist nun eine Artikelserie in den nächsten Ausgaben gewidmet, in der folgende Themen beleuchtet werden:
- Arbeitszeit in Steuerberatungskanzleien – Herausforderungen und Möglichkeiten flexibler Arbeitszeitmodelle, insbesondere von Gleitzeit und VierTage-Woche
- Homeoffice und mobiles Arbeiten in Steuerberatungskanzleien – grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten, Kontrollmöglichkeiten, Datenschutzaspekte
- Burn-out-Prävention – Pflichten i.Z.m. Arbeitsplatzevaluierung, Vermeidung von Schadenersatzforderungen
Arbeitszeitgestaltung
Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt laut WT-KV 40 Wochenstunden (an fünf Arbeitstagen). In vielen Kanzleien ist beispielsweise „Freitag-Frühschluss“ üblich, in manchen Kanzleien ist eine gleitende Arbeitszeit vereinbart. Die Anwendung und Vereinbarung eines flexiblen Arbeitszeitmodells dient nicht nur der Erfüllung der Erwartungen der Arbeitnehmer:innen und Bewerber:innen, sondern ist auch maßgeblich für die rechtskonforme Anwendung des Modells.
Das grundsätzliche Problem
Gehen wir von folgendem banalen Sachverhalt aus: In einer Kanzlei ist von Montag bis Donnerstag eine Normalarbeitszeit von 8,5 Stunden und am Freitag eine Normalarbeitszeit von 6 Stunden vereinbart. Wird nun beispielsweise an einem Dienstag um eine Stunde länger gearbeitet, um dafür am Freitag darauf den Dienstschluss um eine Stunde früher anzutreten, ist grundsätzlich bereits nicht gesetzeskonform gehandelt worden. Am besagten Dienstag wurde eine Überstunde geleistet, die mit einem Zuschlag von 50% zu vergüten bzw. im Verhältnis 1:1,5 auszugleichen gewesen wäre. In der Beratung hört man oft: „Wir leben eine Gleitzeit“. Das mag sein, rechtskonform und nachhaltig ist das nicht, Abgabenprüfern ist das vielfach absolut bewusst. Nachfolgende Erläuterungen sollen keinesfalls eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine pragmatische Annäherung an das Thema Arbeitszeitflexibilisierung darstellen.
Welche flexiblen Arbeitszeitmodelle gibt es nun?
Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen, doch nicht alle sind für unsere Branche von Relevanz. Nachfolgende Modelle bieten sich jedoch gegebenenfalls an.
Gleitzeit – der „Klassiker“
Die Gleitzeit ist von der Möglichkeit zur Selbsteinteilung durch den Arbeitnehmer gekennzeichnet. Innerhalb festgelegter Zeitgrenzen können Arbeitnehmer:innen selbst bestimmen, wann sie zu arbeiten beginnen und wann sie die Arbeitsleistung beenden. Vorteil dieses Modells ist für Arbeitnehmer unstrittig die Selbsteinteilungsmöglichkeit, für Arbeitgeber ist der Vorteil in der erhöhten Normalarbeitszeit von bis zu 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich zu sehen.
Arbeitet ein:e Arbeitnehmer:in bei vereinbarter Gleitzeit also in einer Woche 60 Stunden und konsumiert die betreffende Person das Zeitguthaben im Laufe der folgenden Monate (im Verhältnis 1:1), liegen keine zuschlagspflichtigen Überstunden vor. Der WT-KV deckelt die Normalarbeitszeit im Fall einer Gleitzeit jedoch leider mit 10 Stunden täglich und 50 Stunden wöchentlich. Trotz dieses Umstands handelt es sich wohl jedenfalls um ein praktikables Arbeitszeitmodell. Die gleitende Arbeitszeit muss jedoch schriftlich vereinbart werden, die Vereinbarung muss alle gesetzlichen Mindestinhalte aufweisen und es müssen – trotz Flexibilisierung – Zeitaufzeichnungen geführt werden. Gibt es eine solche Vereinbarung nicht, ist grundsätzlich jede Stunde über die gesetzliche bzw kollektivvertragliche Normalarbeitszeit hinaus mit 50% Zuschlag zu bewerten!
Vier-Tage-Woche
Diesfalls wird die gesetzliche/kollektivvertragliche Normalarbeitszeit auf vier Tage verteilt, dabei wird eine tägliche Normalarbeitszeit von bis zu 10 Stunden erreicht. Arbeitsleistungen über die 10. Stunde hinaus bzw. an einem fünften (oder gar sechsten) Tag stellen zuschlagspflichtige Überstunden dar. Dieses Modell erfährt derzeit große Nachfrage, zumal dadurch längere Freizeitblöcke bzw. „lange Wochenenden“ erreicht werden. Auch dieses Modell ist bestmöglich schriftlich zu vereinbaren. Grundsätzlich lässt sich eine Vier-Tage-Woche wohl auch in Form einer gleitenden Arbeitszeit erreichen.
Vertrauensarbeitszeit
Dieses „Arbeitszeitmodell“ zielt darauf ab, dass Arbeitnehmer:innen in der Arbeitszeiteinteilung völlig frei sind, im Vordergrund steht die „Erledigung der Arbeit“ und nicht das Erreichen einer bestimmten Stundenanzahl. Arbeitsrechtlich ist dieses Modell nicht geregelt und kann wohl am ehesten als Gleitzeit verstanden werden, in der es keine Kernarbeitszeit gibt und im Extremfall nicht einmal auf die Einhaltung der Normalarbeitszeit bestanden wird. Der Verzicht auf die Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen bei Verwendung dieses „Arbeitszeitmodells“ kann unionsrechtlich problematisch sein.
Arbeitszeitmodell versus Entlohnung
Ganz wesentlich ist die Unterscheidung zwischen einem etwaigen Arbeitszeitmodell und der Entlohnung von Arbeitnehmern. Das Arbeitszeitmodell erlaubt die Arbeitsleistung innerhalb der vereinbarten Zeitgrenzen. Aus diesem Modell können sich abzugeltende Stunden ergeben, erst dann ist die Frage relevant, welche Entlohnung vereinbart wurde und ob diese Stunden gegebenenfalls bereits abgedeckt sind.
Conclusio
Die Arbeitswelt ist derzeit wohl in einem sehr dynamischen Wandel, dieser kennzeichnet sich unter anderem dadurch, dass die klassischen starren Arbeitszeiten ausgedient haben. Flexibilisierung, Selbsteinteilung und längere Freizeitblöcke sind wohl jene Ansprüche, die Arbeitnehmer:innen und Bewerber:innen haben. Viele Kanzleien erfüllen diese Anforderungen, teilweise jedoch ohne die rechtliche Grundlage dafür geschaffen zu haben, was zu Forderungen von Arbeitnehmer:innen oder Abgabenprüfer:innen führen kann. Es besteht in unserer Branche vielfach wohl ein dringender Aufholbedarf zur nachhaltigen Vereinbarung von Arbeitszeitflexibilisierungen.
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