W
irtschaftsminister Mitter-
lehnerundWKÖ-Präsident
Leitl haben Ende Jänner in
einer Pressekonferenz angekündigt, dass
sie „die Schranken für Interdisziplinäre
Gesellschaften zwischen freien Berufen
undGewerbetreibenden beseitigen wer-
den, damit in Zukunft fachübergreifen-
deGründungenmöglich sind“.Die Idee
der InterdisziplinärenGesellschaftenmit
dem Gewerbe ist nicht neu, sie wurde
vor Jahrzehnten diskutiert und schließ-
lich auch in das Regierungsprogramm
sowie in den „Reformdialog Verwal-
tungsvereinfachung“ aufgenommen.
Wir haben immer wieder betont,
dass unter den freien Berufen jede
Form von Partnerschaften möglich
sein sollte. In Deutschland dürfen
Wirtschaftstreuhänder schon lange
mit Rechtsanwälten eine gemeinsame
Gesellschaft gründen. Anfang Februar
2016 hat das deutsche Bundesverfas-
sungsgericht entschieden, dass sichAn-
wälte nun auch mit Ärzten und Apo-
thekern in einer gemeinsamen Sozietät
zusammenschließen dürfen. Wir wür-
denunswünschen, dasswiruns auch in
Österreich mit Anwälten in einer Ge-
sellschaft zusammenschließenkönnten,
und unser Berufsrecht steht dem auch
nicht entgegen. Es liegt an der Rechts-
anwaltskammer, „Ja“ zu sagen.
Interdisziplinäre Gesellschaften mit
dem Gewerbe lehnen wir gemeinsam
mit unserenKollegender „FreienBeru-
feÖsterreich“ ab. Eine interdisziplinäre
Vergesellschaftung mit dem Gewerbe
ist für unsere Berufsgruppen mit Ver-
schwiegenheitsverpflichtungundhohen
Zugangsvoraussetzungen undenkbar.
Außerdem: Alleswas dieWKÖunddie
Politik fordern, ist durch interdiszipli-
näreKooperation zu erreichen.
Kooperation freierBerufe
Eine Kooperation unterschiedlicher
freier Berufe oder einer oder mehrerer
Berufemit passendenGewerbetreiben-
den lässt sich heute schon entweder
vonFall zuFall oder nachhaltig verein-
baren. InterdisziplinäreKooperationen
sind bereits weit verbreitet und erfolg-
reich, beispielsweise bei internationa-
len Projekten von Architekturbüros:
Alle Beteiligten agieren aufeinander
abgestimmt, bieten den Klienten da-
her gut eingespielte Betreuung und
können flexibel reagieren.
Das Zusammengehen in eine Ge-
sellschaft widerspricht dieser Flexibi-
lität, problematisch sind hier vor al-
lem die Verschwiegenheitspflicht und
die Unabhängigkeit. Wir geben diese
Grundrechte zugunsten Interdiszipli-
närer Gesellschaftenmit demGewerbe
nicht auf. Diese Grundwerte machen
dasWesendes freienBerufs aus.
Umsetzungpolitischgewünscht
Die Reformnotwendigkeit in unserem
Land steht außer Streit. Die Regierung
scheint auch entschlossen, erste Schritte
zu setzen und Erfolge vorzuweisen. Die
Interdisziplinären Gesellschaften sollen
nun unter demDeckmantel „Bürokra-
tieabbau und Wirtschaften erleichtern“
offenbar kurzfristig, und insbesondere
ohne die betroffenen Berufsgruppen im
Vorfeld mit einzubeziehen, umgesetzt
werden. Nicht immer heiligt der Zweck
dieMittel. Interdisziplinäre Gesellschaf-
ten sind für Reformüberlegungen nicht
wirklichmaßgeblich.
Wir werden unsere Einwände wei-
terhin entsprechend kommunizieren
undwir geben dieHoffnung nicht auf,
dass die Politik diese Idee wieder fallen
lässt. Denn Interdisziplinäre Gesell-
schaften zwischen freienBerufenund
dem Gewerbe schaffen in Wirk-
lichkeit nämlich mehr bürokra-
tischen Aufwand anstatt einer
notwendigenEntlastung.
n
Zum Autor
KlausHübner
ist Präsident
derÖGWT
klaus.huebner@
huebner.at
Interdisziplinäre
Gesellschaften: ja, aber…
DieKWT sieht die jüngstenpolitischenVorstöße zur Realisierung
Interdisziplinärer Gesellschaften zwischenden freienBerufen
unddemGewerbenachwie vor skeptisch. Unter den freienBerufen sollte
hingegen jedeFormder Partnerschaftmöglich sein. VonKlausHübner
brand
aktuell
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Alles spricht für eine inter-
disziplinäreKooperation,
aber brauchtmanwirk-
lich eine Interdisziplinäre
Gesellschaft, um zusam-
menarbeiten zu können?
©Melvin1205 – iStock
1/2016