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ZUR AUTORIN
Dr. Verena
Trenkwalder ist
Wirtschaftsprüferin
und Vorsitzende
des Fachsenats
für Steuerrecht
Der gläserne Konzern
KAPITAL.
Missbrauch ist in aller Munde, in der öffentlichen Wahrnehmung sind alle
Unternehmer und deren Berater wohl rund um die Uhr damit beschäftigt, Gewinne
zu verschieben und zu verschleiern und der regulären Besteuerung zu entziehen.
Von Verena Trenkwalder
im
fokus
N
ach Registrierkassen und Kapi-
talabflussmeldungen samt deren
intensiver Prüfung stellt sich allerdings
die Frage, ob diese Unterstellung so rich-
tig ist. „Das steuerliche Ergebnis (der
Einführung der Registrierkassenpflicht,
Anm.) ist positiv, aber es zeigt, dass die
Misstrauensunterstellung gegenüber Un-
ternehmern in Österreich in diesem Aus-
maß nicht berechtigt war“, sagte Finanz-
minister Löger am 30. 8. zur APA. Die
Mehreinnahmen für den Staat seien „in
Wirklichkeit deutlich geringer als damals
(mit 900 Mio. Euro, Anm.) kalkuliert“.
Auch die Kapitalabflussmeldeprüfungen
werden weitgehend mit einem Nuller-
gebnis abgeschlossen. Das mag national
zu einem Umdenken führen, internatio-
nal zeigt sich der gegenteilige Trend.
Mandatory disclosure
Nach langjähriger intensiver Arbeit
hat die Organisation für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung
(„OECD“) im Rahmen des Projekts
„Base Erosion and Profit Shifting“
(„BEPS“) am 5. 10. 2015 den finalen
Report zu Aktionspunkt 12 „Mandatory
Disclosure Rules“ veröffentlicht. Dieses
finale Dokument basiert auf dem am
31. 3. 2015 veröffentlichten Diskussi-
onsentwurf der OECD zu umfassenden
Anzeige- bzw. Offenlegungspflichten
aggressiver Steuerplanungs- und -gestal-
tungsmodelle.
Das Manko auf Seiten der Finanz-
verwaltungen ist die Informationsasym-
metrie im Hinblick auf konzerninterne
Transaktionen und die damit einherge-
hende mangelnde rechtzeitige und voll-
umfängliche Kenntnis über aggressive
Steuergestaltungen multinationaler Un-
ternehmen. Ein frühzeitiger Zugriff auf
diese Informationen gewährleistet aus
Sicht der OECD die Möglichkeit einer
schnellen Reaktion seitens der Finanz-
verwaltungen, um entsprechende Steu-
erverkürzungen zeitnah eindämmen zu
können.
Daher sollen der Steuerpflichtige
und/oder Vermarkter derartige Gestalt
ungen offenlegen. Als Vermarkter gelten
auch Steuerberater, Rechtsanwälte oder
anderweitige Beratungsberufe.
Eine Steuerstrukturierung ist nach
OECD-Ansicht offenzulegen, wenn sie
unter sog. „hallmarks“ fällt,
d.h. es müssen bestimmte
allgemeine („generic“) und
spezifische („specific“) Kenn-
zeichen vorliegen, um in
den Anwendungsbereich der
Anzeige- und Offenlegungs-
pflichten zu fallen. Selbst
Meldeschwellen steht die
OECD skeptisch gegenüber.
Angriff auf die freien Berufe
Der finale Report enthält eine
umfassende Definition von
sog. (tax) „arrangements“.
Grundsätzlich sollen grenz-
überschreitende konzernin-
terne Strukturierungen per se
anzeige- bzw. offenlegungs-
pflichtig sein.
Neu im finalen Bericht
ist die Empfehlung, Steuersparmodelle
durch die Einführung und Vergabe von
sog. Referenznummern zu identifizieren.
In den Fällen, in denen die Berichts-
pflichten dem Vermarkter auferlegt wer-
den, wurde angeregt, auch die Erstellung
und Einreichung einer Mandantenliste
einzufordern. Das heißt imKlartext, dass
die Vermarkter (z.B. StB) eine Liste über
diejenigenMandanten bereitstellen müs-
sen, die potentiell unter das Erfordernis
der Offenlegungspflichten durch aggres-
sive Steuersparmodelle fallen, vorausge-
setzt, das nationale Recht lässt dies zu.
Das ist wohl endgültig der Abschied
vom freien Beruf und von der diesem
Beruf immanenten Verschwiegenheit!
Gedacht war der freie Beruf als Ge-
gengewicht zum Staat mit seiner Ho-
heitsgewalt, was es wohl mehr denn je
bräuchte. Dafür gibt es wiederum neue
Meldpflichten, noch mehr Papierkrieg,
Haftungspotential und Verwaltungsar-
beit. Und neue Heerscharen an Beam-
ten, die alles prüfen oder auch in der zu
erwartenden Meldungsflut untergehen.
Allerdings scheint die Bedeutung des
OECD-Reports in der Praxis noch nicht
angekommen zu sein, sonst wäre der Auf-
schrei auch von Seiten der Wirtschaft um
ein Vielfaches lauter! Nur am Rande sei
angemerkt, dass die Meldepflicht 2020 in
Kraft tritt, allerdings alle Gestaltungen ab
dem 25. Juni 2018 umfasst.
n
Wo bleibt der
große Aufschrei
gegen weitere
Meldepflichten?
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3/2018