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eder kennt Stress. Einige von uns
haben ihn jeden Tag, manche
schmücken sich gerne damit, an-
deren wird er zu viel.
Auf die persönliche Stressbelastung
angesprochen, führen die meisten
Menschen Zeitdruck und ein hohes Ar-
beitspensum als Ursache an. Doch dies
ist nur ein kleiner Teil der ganzenWahr-
heit. Zudem wird seine positive Seite
allzu oft übersehen. Richtig dosiert ist
er nämlich weitaus besser und nützli-
cher als sein Ruf.
Stress ist ein uraltes Notfallpro-
gramm, das uns in einer lebensbedroh-
lichen Situation helfen soll, schnellst-
möglich und mit einer maximalen
körperlichen Leistungsfähigkeit reagie-
ren zu können. So hat er uns schon vor
langer Zeit, als der hungrige Säbelzahn-
tiger noch hinter jedem Gebüsch auf
der Lauer liegen konnte, oft genug das
Leben gerettet.
Heute ist es der Zeitdruck
Heutzutage wirkt dieses alte Programm
genauso in uns wie vor mehr als tau-
send Jahren. Zum Glück geraten wir
heute nur noch sehr selten in wirklich
lebensbedrohende Situationen. Unser
Organismus reagiert aber in jeder Si-
tuation, die wir nicht einschätzen kön-
nen oder in der wir vermuten, dass von
uns mehr erwartet oder gefordert wird,
als wir uns selbst zutrauen, mit einer
Stressreaktion.
In der Steinzeit bestand solch eine
Anforderung darin, schneller laufen zu
können als der Säbelzahntiger. In unserer
modernen Welt sind es der Zeitdruck,
die Anpassung an die vielen Veränderun-
gen, eine Vielzahl an Ängsten und Sor-
gen und als ganz bedeutender, aber oft
gänzlich unbeachteter Punkt die rasch
zunehmende Informationsflut.
Da braucht es uns nicht zu wundern,
dass auch die Zahl der Menschen, die
angeben stressgeplagt zu sein, in den
letzten Jahren deutlich gestiegen ist.
Unsere tägliche Stressdosis
Es gilt also, unsere tägliche Stressdosis
auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren.
Dies gelingt z.B., indem wir unwich-
tige Stressoren entlarven und elimi-
nieren. Dadurch sinkt die Stressdichte
insgesamt, wodurch die verbleibenden
Stresssituationen deutlich weniger be-
lastend empfunden werden. Wir fühlen
uns in einem gesunden Maß gefordert.
Jetzt wirkt Stress förderlich, weil er uns
dazu bringt, ein bisschen über unsere
eigenen Grenzen zu gehen. Mit seiner
Hilfe bewältigen wir Situationen, die
wir uns selbst nicht mehr ganz zutrau-
en. Und wir erweitern dank ihm unsere
Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Nach einer Phase der Belastung und
Anspannung brauchen wir unbedingt
auch eine Phase der Entlastung und
Ruhe. Fehlen uns diese wichtigen Re-
generationsphasen, läuft unser Organis-
Stress wirkt auch förderlich, weil er uns
dazu bringt, ein bisschen über unsere
eigenen Grenzen zu gehen. Mit seiner
Hilfe bewältigen wir Situationen.
Wir und der
Säbelzahntiger
ARBEITSWELT.
Stressreduziert arbeiten macht
mehr Spaß und erhöht die Leistungsfähigkeit.
Von Alfred Mühl
ZUM AUTOR
Alfred Mühl ist
Dipl. Burnout-
Prophylaxe-
und Genuss
trainer
info@stressfrei-
leben.at
© PESKYMONKEY/ISTOCK
soft
skills
34
4/2018