ÖGSWissen - page 31

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ZUR AUTORIN
Dr. Verena
Trenkwalder ist
Wirtschaftsprüferin
und Vorsitzende
des Fachsenats
für Steuerrecht
Bedenkliche Einschau
MELDUNGSPFLICHT.
Die Prüfung der Kapitalab- und Kapitalzuflussmeldungen
mit Predictive Analytics. Von Verena Trenkwalder
im
fokus
D
as Kapitalabflussmeldegesetz sieht
eine Meldungspflicht von Kre-
ditinstituten für Kapitalabflüsse zwi-
schen 1.3.2015 und 31.12.2022 von
mindestens EUR 50.000,– von Kon-
ten und Depots natürlicher Personen
und für Kapitalzuflüsse von mindestens
EUR 50.000,– in den Zeiträumen
1.7.2011 bis 31.12.2012 aus der Schweiz
und 1.1.2012 bis 31.12.2013 aus Liech-
tenstein vor. Aufgrund dieser gesetzlichen
Vorgaben sind bis Ende 2017 mehr als
800.000 Meldungen erfolgt. Wir alle
haben uns immer schon gefragt, was die
Finanzverwaltung mit dieser Unmenge
an Daten anfangen will. Nun ist das Ge-
heimnis gelüftet: Der Predictive Analytics
BP Leitfaden 2017 gibt im Detail darü-
ber Auskunft, wie die Finanzverwaltung
glaubt, aufgrund fachlicher Überlegun-
gen diejenigen Fälle herauszufiltern, die
ein höheres Risiko darstellen. Aus zahl-
reichen Reaktionen der Kollegenschaft
zeigt sich, dass kaum ein Kollege von
diesen Prüfungen verschont geblieben ist
und dass darüber hinaus zumindest das
Gefühl besteht, dass die Fallauswahl eher
unglücklich erfolgt und die Prüfungs-
handlungen teilweise über das gesetzlich
Zulässige hinausgehen.
Das BMF hat beabsichtigt, mittels
Predictive Analytics 6.000 Meldungen
herauszufiltern, die das höchste Risiko
aufweisen, das sind Zu- und Abflüsse
von mindestens EUR 300.000,–. Weiters
wird eine Risikoeinschätzung der Mit-
telherkunft anhand des der Finanz be-
kannten steuerpflichtigen Einkommens
vorgenommen.
Für die so gefilterten Fälle ist zu un-
tersuchen, wo sich die Mittel wie lan-
ge befanden, aus welchen Quellen die
Mittel stammen, ob sie ordnungsgemäß
versteuert wurden und wie die allfälligen
Kapitalerträge besteuert und wofür die
Mittel verwendet wurden.
Wiewohl es legitim und auch durch-
aus zu begrüßen ist, dass die Finanzver-
waltung versucht, Steuerhinterziehungen
aufzudecken, so ist zu den aktuell statt-
findenden Prüfungen Folgendes anzu-
merken:
Nur im betrieblichen Bereich beste-
hen entsprechende Buchführungs-
oder Aufzeichnungspflichten samt
den dazugehörigen Erfordernissen
einer Sammlung und Archivierung
von Belegen. Im Privatvermögen be-
stehend demgegenüber keinerlei Auf-
zeichnungspflichten, zumal Einkünf-
te aus Kapitalvermögen in fast allen
Fällen dem Steuerabzug unterliegen.
Meldungen nach dem Kapitalabfluss-
meldegesetz dürfen ausschließlich für
eine Analyse für Zwecke der Betrugs-
bekämpfung verwendet werden. Es
muss also ein begründeter Verdacht
steuerlicher Unregelmäßigkeiten be-
stehen. Ob es ausreicht, eine unvoll-
ständige Aktenlage über Einkünfte
und Vermögen heranzuziehen, um
einen derartigen Verdacht zu rechtfer-
tigen, mag dahingestellt werden.
Während die Herkunft der Kapitali-
en bei entsprechender Verdachtslage
aufzuklären ist, sind Fragen nach dem
Ziel eines Kapitalabflusses m.E. in
den meisten Fällen unzulässig, sofern
nicht ein konkreter Anhaltspunkt
vorliegt, dass dies finanzstrafrechtlich
relevant sein könnte. Dies leitet sich
auch aus Art. 8 EMRK ab.
Überprüfungen nach dem Kapital-
abflussmeldegesetz können jedenfalls
nicht zur Umgehung der sehr stren-
gen Voraussetzungen für eine Aus-
kunftserlangung nach dem Konten-
register- und Konteneinschaugesetz
eingesetzt werden. Eine Einschau in
das Kontenregister ist nämlich nur
dann statthaft, wenn ein vorgelagertes
Ermittlungsverfahren Bedenken ge-
gen die Richtigkeit der vorliegenden
Steuererklärungen weckt. Sofern eine
Einschau in das Kontenregister aber
nicht zulässig ist, darf ein Auszug aus
dem Kontenregister selbstverständlich
auch dem Abgabepflichtigen nicht
abverlangt werden.
Umso mehr muss gelten, dass in den
Fällen, in denen eine Konteneinschau
nach dem Kontenregister- und Kon-
teneinschaugesetz nicht zulässig ist,
auch eine vollständige Vorlage der
Bankbelege keinesfalls verlangt wer-
den darf.
Mit Spannung darf man erwarten, wel-
che Ergebnisse die im Jahresprüfungs-
planerlass vorgesehene Evaluierung
bringt – und ob die Ergebnisse jemals
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden.
n
Aus zahlreichen Reaktionen
aus der Kollegenschaft zeigt
sich, dass kaum jemand
von diesen Prüfungen
verschont geblieben ist.
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