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ie Neuregelung im Steuerreformgesetz 2015 geht m.E.
auf Überlegungen des BMF zurück, die erstmalig im
SWK-Sonderheft Körperschaftsteuer 2008 veröffentlicht
wurden. Dort wurde erstmalig der Gedanke publiziert, dass
durch die Nicht-Evidenzierung von nicht operativen Gewin-
nen (evidenziert werden nur Einlagen) nicht nachvollzogen
werden kann, ob länger zurückliegende Gewinne im Bilanz-
gewinnkonto enthalten sind oder nicht.Weiters sind auch in
der Betriebsprüfungspraxis Fälle anhängig, bei denen sich die
Betriebsprüfungdaran stößt,dass „durchgeschüttete“Einlagen-
rückzahlungen in Gewinnausschüttungen transformiert wer-
den.LetztlichwaraberdieNeuregelungvondemZiel getragen,
Gewinnausschüttungen an natürliche Personen, die steuerlich
als Einlagenrückzahlung ohne Abzug von Kapitalertragsteuer
vorgenommenwerden (was letztlichnur einen Steueraufschub
darstellt), zu erschweren.
Genau dieser Gedanke ist es nun, der in die Neufassung
des § 4 Abs. 12 EStG im Rahmen des Steuerreformgesetzes
2015/16 einfließt. Laut den Erläuterungen soll die derzeit be-
stehende Wahlmöglichkeit entfallen, die unternehmensrecht-
liche Ausschüttung eines Bilanzgewinnes steuerlich entweder
als Gewinnausschüttung oder als Einlagenrückzahlung zu be-
handeln. Daher soll ein Vorrang von Gewinnausschüttungen
gegenüber Einlagenrückzahlungen gesetzlich im Sinne einer
Verwendungsreihenfolge verankert werden. Bei einer positiven
Innenfinanzierung stellen sämtliche Ausschüttungen steuerlich
Gewinnausschüttungen dar. Erfolgt eine Ausschüttung trotz
negativer Innenfinanzierung, liegt steuerlicheineEinlagenrück-
zahlung vor, soweit die Gesellschaft einen positiven Stand der
Einlagen aufweist.
Gewinnausschüttungoder Einlagenrückzahlung
An die Behandlung als Gewinnausschüttung oder
Einlagenrückzahlung knüpfen sich weitreichen-
deFolgen.DieNeuregelung ist eine echte „Fal-
le“ für zugeführtes Eigenkapital.Man denke
beispielsweise an folgenden einfachenFall:
Mehrere Investoren gründen eine Er-
werbsgesellschaft, die eine zu sanierende
Gesellschaft erwirbt. Die Anschaffungs-
kosten sind nahe null. Da die Sanierung
im Wesentlichen über Gesellschafterzu-
schüsse erfolgt ist, weist die zu sanierende
Gesellschaft ein hohes Einlagenevidenz-
ZurAutorin
Dr. Verena
Trenkwalder ist
Wirtschaftsprüferin
undVorsitzende
desFachsenats
für Steuerrecht
vtrenkwalder@kpmg.at
Einlagenrückzahlung
ImFOKUS.
Wurdehier dasKindmit demBadausgeschüttet?
Über dasSteuerreformgesetz. VonVerenaTrenkwalder
im
fokus
InSumme
führt die
Neuregelung
zuhöheren
Compliance­
kostenund
Evidenzie-
rungspflichten.
konto und eine negative Innenfinanzierung auf. Zukünftige
Gewinne, die in der zu sanierendenGesellschaft erwirtschaftet
werden, könnendahernur alsEinlagenrückzahlungandieHol-
ding ausgeschüttetwerden.
DieRichtigkeit bzwLogik dieser Lösung kannmandurch-
aus hinterfragen. Aus meiner Sicht erwirbt die Erwerbsgesell-
schaft eine Gesellschaft mit einer bestimmten Kapitalausstat-
tung unddieseGesellschaft erzielt ein operatives Ergebnis. Aus
meiner Sicht liegt eineGewinnausschüttung vor, da die Einla-
gen inderÄradesAltgesellschafters verbrauchtwurden.
Der Fall einer Zwischenholding
Ähnlich ist auchderFall einerZwischenholding, diedurch indi-
rekteGesellschafterzuschüsseaneineTochtereinhohesEinlagen­
evidenzkontoundmangelsoperativerGewinneeinenegative In-
nenfinanzierung aufweist.Wenndie EnkelgesellschaftGewinne
erzielt, werden diese auf Ebene der Zwischenholding in Einla-
genrückzahlungenumgewandelt,damangels Innenfinanzierung
keine Gewinnausschüttung aus der Zwischenholding möglich
ist.AuchdiesesErgebnis ist ausmeinerSichtunbefriedigend.
In Summe führt die Neuregelung des § 4 Abs. 12 EStG
damit einerseits zu höheren Compliancekosten und Eviden-
zierungspflichten, andererseits reduziert sie mit Sicherheit die
Motivation, einer Gesellschaft Eigenkapital zuzuführen, und
letztendlich führt sie zu einer massiven steuerlichen Schlech-
terstellung bei der Sanierung von Körperschaften. Die vielen
Zweifelsfragen, die sich i.Z.m. der Neuregelung ergeben, sind
einweitererWermutstropfen.
n
DieForderung
EinegänzlicheNeukonzeptiondes
Einkommensteuer- undKörperschaft-
steuerrechts ist unerlässlich, umdie
Gesamtsystematik neu zuüberdenken
unddie schon langegeforderteund
dringendnötigeVereinfachung zubrin-
gen. Nur sowirdder Standort Österreich
eineChancehaben, indendiversen
Rankingswieder nachoben zu rücken.
© powerofforever/istock
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