W
ir kennen einander sicherlich
recht gut – aber oftmals nicht gut
genug.Wir sind einander geografisch so
nah, aber kulturell doch so fern – Ös-
terreicher und Briten. Es gibt kaummit
jemandem so viele Missverständnisse
wie mit unserem britischen Gegenüber.
Woran liegt das? Fast eine Milliarde
Menschen sprechen Englisch entweder
als Muttersprache oder Zweitsprache.
Auch in Österreich wird fleißig Eng-
lisch gelernt.Dennoch gibt es aber nicht
nur hinsichtlich der englischen Sprache,
sondern auch bezüglich der Mentalität
und Lebensweise große Unterschiede
zwischen Briten und Österreichern, wie
jene, die bereits privat oder beruflichmit
britischen Counterparts zu tun hatten,
nur allzu gut wissen. Tatsächlich kann
vieles bereits schiefgehen, bevor man
miteinander die erstenWorte austauscht.
Hände schüttelnwiebei uns beziehungs-
weise „Bisous“ (Bussis) austauschen wie
in Frankreich sind in Großbritannien
verpönt.
Zwar kann es durchaus vorkommen,
dass es (allerdings ausschließlich)beimal-
lererstenZusammentreffenbritischerGe-
schäftspartner in sehr förmlichenSituati-
onen zumHändeschütteln kommt und
dassLondonerFreundinnen einanderbei
der Begrüßung auf die Wange küssen,
aber dennoch stellt dies kein im ganzen
LandweitverbreitetesVerhaltendar.
Auch wird uns bald auffallen, dass
der physische Abstand zwischen Briten
um einiges größer ist als bei uns unddass
sie auch nicht direkten Augenkontakt
miteinander haben. In der Tat scheint
alles andere eher betrachtet zu wer-
den als das direkte Visavis, und schnell
wird das in unserer Kultur fast höfliche
Einander-in-die-Augen-Schauen als in-
diskretes Starren empfunden. In diesem
Zusammenhang möge Mister Bean als
genialer Lehrmeister für britisches Ver-
halten hervorgehoben werden. Ist die
erste Hürde einmal gemeistert und der
richtige Abstand gefunden, während die
Blicke scheinbar ziellos umherschweifen,
beginntdervielgerühmteSmallTalk.Da-
bei ist zu bemerken, dass imEnglischen
auf das „Goodmorning“, „Good after-
noon“ oder „Hi“ gleich ein: „How are
you?“ anschließt. Auf diese Frage wird
aber keine „ehrliche“Antwort bezüglich
des Befindens erwartet, sondern einfach
die Standardantwort: „Fine, thanks.
And you?“. Dasmag auf uns oberfläch-
lichwirken, gibt aberdenbritischenGe-
sprächspartnern ein bisschen Zeit, um
zu sehen, ob ihr jeweiliges Gegenüber
auch tatsächlich einigeMinuten für ein
Gespräch findenkann.
Gleichzeitigheißtdasauch,dasses für
Britenbefremdendwäre,wennwir –wie
es bei uns üblich– zu lamentierenbegin-
nen. Als Überleitung zu einem „richti-
gen“ Gespräch eignet sich übrigens die
Phrase: „Well, actually“ besonders gut.
Danach ist es aber wichtig, nicht sofort
mit demAufzählenvonFakten zubegin-
nen. SmallTalk ist dieZauberformel, die
es „erlaubt“, mit Briten ins Gespräch zu
kommen.Dabei spielt es keineRolle, ob
über Sport, Kultur oder Wetter geredet
wird. Verständlicherweise ist es wichtig,
keine Themen anzusprechen, die Groß-
britannien oder die britischen Gewohn-
heiten angreifen.ObwohlBritenoftüber
ihreMonarchie,Politikoderdasbritische
Essen schimpfen, wäre es unverzeihlich,
wennwiralsNicht-Briten indiesenChor
einstimmen.
Allgemein ist festzuhalten, dass sich
Briten zwar häufig über sich und ihre
eigene Kultur lustig machen, aber kei-
ne anderen Kulturen verspotten. Dieses
Verhalten fällt für sie in die Kategorie
der „good manners“ (gutes Benehmen).
Seine Expertise offen zur Schau zu stel-
len, ist nicht das, was unter „Understate-
ment“ verstanden wird.Wir dürfen uns
also nicht wundern, wenn wir bei einer
Expertenkonferenz von britischer Seite
hören: „I don’t know why they invited
me here to this conference; I’m only just
getting into this topic“ (Ich weiß nicht,
wieso ich hier eingeladen worden bin,
ich arbeitemich gerade in diesesThema
soft
skills
Well, actually…
Kommunikation.
Ist Ihnen schon einmal etwas
englisch vorgekommen?Wenn ‚ja’, dann sindSie
auf dem richtigenWeg! VonKarin Ioannou-Wokoun
2/2017
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ZurAutorin
Mag. Karin
Ioannou-Wokoun
ist Sprach-Coach
inEnglisch,
Französisch
undDeutsch
für Topmanager
nationaler und
internationaler
Unternehmen
karin@ioannou-
wokoun.com
Es ist nicht nur einAkt
der Höflichkeit, während
desEssensSmall Talk zu
machen, sondern eine
absoluteNotwendigkeit.
Geschäftsthemenwerden
prinzipiell erst beim
„Kaffee“ besprochen.