ÖGWThema - page 31

ZURAUTORIN
Dr. Verena
Trenkwalder ist
Wirtschaftsprüferin
undVorsitzende
desFachsenats
für Steuerrecht
DieParadisePapers
und ihreFolgen
LEAK.
Ein Jahr nachdenPanamaPapershat das internationaleNetzwerk
investigativer Journalisten ICIJeineGroßrecherche zumThemaSteuerparadiese vorgelegt.
Was sinddieSchlussfolgerungendaraus?VonVerenaTrenkwalder
im
fokus
D
as neueDatenleck enthüllt keine illegalenAktivitäten. Es
zeigt aber inbeeindruckenderWeise,wie gängig es inzwi-
schen ist, solcheSchlupflöcherzurSteuervermeidungzunutzen.
Die Daten stammen vor allem von der Kanzlei Appelby, dem
Marktführer imOffshore-Geschäft.Die auf denBermudas an-
sässige Anwaltskanzlei wirbt damit, das Geschäft mit Briefkas-
tenfirmenprofessionell zubetreiben.Zu ihrenKundengehören
Premierminister,Hollywoodstarsund einigeder reichstenOlig-
archenderWelt.DieParadisePapers, diebislangumfangreichs-
te Datenquelle über internationale Offshore-Finanzgeschäfte,
enthaltendieNamen großer Firmenund berühmter Personen.
DieParadisePapers zeigendieSteuersparmodellemultinationa-
lerKonzerneauf–dieabernicht strafbar sind.VieleSteuertricks
über Offshore-Firmen sind legal oder bewegen sich in einer
rechtlichenGrauzone. (DieZeit, 6.11.2017)
Sehr schnell setzt dann die Diskussion ein, ob das rech-
tens ist, und falls ja, ob es auchmoralisch legitim ist.Und sehr
schnellwerdendieSuperreichenunddieKonzerneandenPran-
ger gestellt. Schlagwortewie „dieSteuertricksderSuperreichen“
und „die Steuertricks vonApple,Nike undCo“ sindüberall zu
finden.Dochworumgeht eswirklich?
Wegzugsbesteuerung in jedemStaat?
Konzerne leben in einem internationalen Umfeld und müssen
im internationalenWettbewerb erfolgreich sein. Dabei geht es
schlichtweg auch darum, Kosten gering zu halten, und Steuern
sindebenKosten.Es ist alsonichtverwerflich,wenneinKonzern
legale Steuersparmöglichkeiten ausnützt, genauso wenig wie es
verwerflich ist,wenn erEnergiekostenoderMaterialkosten redu-
ziert und in Ländernmit niedrigerem Lohnniveau produzieren
lässt oder ihm zustehende Subventionen in Anspruch nimmt.
VielmehrwäreesdenOrganenvorwerfbar, täten siedasnicht.
Vorwerfbar ist vielmehr, dass die Staatengemeinschaft, ja
selbst die EU es nicht schafft, eine gewisse Vereinheitlichung
einzuführen und diese Schlupflöcher zu schließen. Dass die
Niederlande es zulassen, dass immaterielleWirtschaftsgüter in
Steueroasen verbracht unddanndorthinLizenzen gezahlt wer-
den, ist jedem Fachmann seit Jahrzehnten bekannt. Genauso
wie bekannt ist, dass auch andere EU-Staaten Unternehmen
durchgünstigeSteuerregime attrahieren.
Und was tun die Staaten nun: Sie sind entrüstet, sprechen
von unmoralischemVerhalten, erlassen eine Geldwäschericht-
linie nachder anderenund einenBSPSActionPlannachdem
anderen, die alle völlig überbordend sind, die Unternehmen,
die ohnehin unter der Verwaltungslast stöhnen, mit weiteren
Meldepflichten und Sanktionen bei Nichteinhaltung belegen.
Gerade inÖsterreich lebt dieWirtschaft vonmittelständischen
Familienbetrieben, die sichüberdieAdministrationderGesetze
nichtmehrhinaussehen.
Und dabei müsste man sich nur darauf einigen, dass das
Steuerrecht – so wie das Unternehmensrecht – vereinheitlicht
wird.Waswürdedagegen sprechen, ganz einfachdenunterneh-
mensrechtlichenGewinnmit einem bestimmten einheitlichen
oder zumindest Mindeststeuersatz zu versteuern? Was würde
dagegen sprechen, die legitimeWegzugsbesteuerung in jedem
Staat umzusetzen?
Ich empfinde es als Versagen der Politik, der EU und der
OECD, dass sie sich zwar den Kampf gegen die Steuerflucht
auf die Fahnen heften, aber nicht wirklich etwas dagegen tun.
Solange es die Staaten nicht schaffen, gewissemoralischeMin-
deststandards in ihrerSteuergesetzgebung zudefinieren,werden
alle weiteren Meldepflichten das bleiben, was sie sind: Alibi-
maßnahmen, die vor allem diejenigen belasten, die noch nie
etwasUnrechtesgetanhaben.UnddiedasVertrauenderBürger
indenStaatweiteruntergraben.
n
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4/2017
Moral ist keineKategoriedes
Steuerrechts! Steuerschlupf­
löcher zu schließenwäre relativ
einfach, denKonsensder
Staaten vorausgesetzt!
©©MIHAI MAXIM/ISTOC
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